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CDU lädt Youtuber Rezo nach scharfer Kritik ein

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Kurz vor den Wahlen kämpft die CDU mit einem Sturm der Entrüstung über ihre Reaktion auf scharfe Kritik eines Youtubers. Nun versucht sie, wieder in die Offensive zu kommen. Ob das gelingt, ist offen – derweil erntet Annegret Kramp-Karrenbauer Spott für ein Zitat.

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Berlin (dpa) – Die CDU hat den Youtuber Rezo zum Meinungsaustausch eingeladen und Teile seiner Kritik als berechtigt bezeichnet – nach heftigem Gegenwind auf erste abweisende Reaktionen.

«Lass uns über Deine Kritik an der CDU sprechen, aber bitte höre auch uns zu, wie wir die Dinge sehen», schrieb Generalsekretär Paul Ziemiak auf Twitter. «Nicht als Show, sondern so, wie die meisten Menschen bei uns: aus Sorge über unsere Zukunft und über Wege, unseren Planeten zukunftsfest zu machen, über Ideen für bessere Lösungen.» Eine Anfrage der Deutschen Presse-Agentur bei Rezo, ob er auf das Angebot eingeht, blieb bis zum Abend unbeantwortet.

Drei Tage vor der Europawahl und der für die CDU wichtigen Bürgerschaftswahl in Bremen am 26. Mai versucht die Parteispitze offenbar, dem Sturm der Entrüstung in Teilen der Öffentlichkeit und den sozialen Medien über den Umgang mit der Kritik des Youtubers die Spitze zu nehmen. Ziemiak hatte am Mittwoch mit Blick auf Rezos Video noch von Falschbehauptungen gesprochen. Am Donnerstag schloss er seine Einladung mit den Worten: «Dein Paul.»

In dem Video Rezos heißt es, die CDU zerstöre «unser Leben und unsere Zukunft». Es wurde bis Donnerstagabend mehr als 5,4 Millionen Mal aufgerufen. Rezo wirft der Partei unter anderem vor, beim Klimawandel untätig zu sein, Politik für Reiche zu machen und «krasse Inkompetenz» beim Thema Urheberrecht und Drogenpolitik.

Ziemiak räumte ein: «Wir machen nicht alles richtig. Du hast Kritikpunkte benannt, die berechtigt sind. Wir können beim Klimaschutz noch mehr tun, mit besseren Technologien und guten Ideen.» In der Diskussion um Uploadfilter im Internet, an der sich scharfe Kritik gerade junger Menschen und von Youtubern und Bloggern entzündet hatte, «haben wir nicht den richtigen Ton angeschlagen, das können wir besser», gab der CDU-Generalsekretär zu. Doch auch in dem Video von Rezo sind vereinzelt Fehler zu finden.

Ein ursprünglich als Reaktion auf die kritischen Äußerungen des Youtubers geplantes Internet-Video des jungen Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor wollte die CDU nicht veröffentlichen. Amthor sagte am Rande einer Veranstaltung in Rostock, die CDU wolle nicht über Videos mit dem Youtuber kommunizieren, sondern das persönliche Gespräch suchen. Wenn in dem Rezo-Video von «Zerstörung der CDU» die Rede sei, könne man sagen: «Uns geht es nicht darum, jemanden zu zerstören, sondern gute Argumente auszutauschen.»

Spott im Netz erzeugte am Donnerstag ein Zitat von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie hatte das Rezo-Video am Abend zuvor mit den Worten kommentiert: «Ich habe mich gefragt, warum wir nicht eigentlich auch noch verantwortlich sind für die sieben Plagen, die es damals in Ägypten gab.» Allerdings: Im Alten Testament ist nicht von sieben, sondern von zehn biblischen Plagen die Rede.

Politikwissenschaftler Stefan Heumann sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Die CDU tut sich mit digitaler Kommunikation immer noch sehr schwer.» Im Umgang mit jungen Wählern falle die hohe Geschwindigkeit der Netzkommunikation und eine direkte Ansprache vielen Politikern noch schwer. Wie andere Experten sieht er in dem Video und dessen mittel- und langfristigen Auswirkungen ein Risiko für die Partei. Es könne sich sogar auf das Wahlergebnis am Sonntag auswirken, sagte Heumann.

Der Politikberater und Blogger Martin Fuchs sagte der dpa, junge Menschen beklagten vor allem respektlose Reaktionen und fühlten sich nicht ernst genommen. «Ich komme gerade aus einer neunten und zehnten Klasse – deren Vertrauen in die Politik ist zerstört.» Fuchs sagte auch, für die kleineren Parteien wie FDP, Grüne oder Linke sei es einfacher, ihre Klientel im Netz anzusprechen, weil sie eine kleinere definierte Zielgruppe hätten.

Rezo warf der CDU in der «Frankfurter Allgemeinen Woche» (Freitag) ein Verhalten vor, das an US-Präsident Donald Trump erinnere. «Selbst wenn ein Unterdreißigjähriger sich auf Wissenschaftler und Experten beruft, antwortet die CDU mit Lügen und geht inhaltlich gar nicht auf Argumente ein», sagte er. Dies sehe man auch bei Trump, der mit dieser Masche ins Amt gekommen sei. «Er hat so viel Scheiße gelabert. Vielleicht haben da auch andere Politiker gemerkt: Ey, wir können einfach lügen und Bullshit reden, wir kommen damit durch.»

Wohl als Reaktion auf den Vorwurf, zu langsam angemessen auf die Kritik des Youtubers reagiert zu haben, veröffentlichte die CDU in einem Antwortschreiben an Rezo auch eine ausführliche Stellungnahme zu ihrem internen Entscheidungsprozess. Rezos Video spitze Kritikpunkte zu und verkürze, um zu provozieren.

Man habe in der CDU gemeinsam überlegt, wie «wir mit Deiner Kritik und der Form, in der Du sie packst, umgehen», schrieb die Partei. Man habe immer wieder abgewogen, ob eine Antwort auf derselben Ebene – Video gegen Video – für die CDU die richtige und angemessene Antwort sei und «ob es der notwendigen politischen Auseinandersetzung hilft oder Politik zum Spektakel macht».

Gerade von der CDU werde «in aufgewühlten Zeiten erwartet, dass sie überlegt, reflektiert und mit kühlem Kopf antwortet», schrieb die Partei. «Verkürzen, verzerren, verdrehen – das ist Populismus. Überzeichnen, übertreiben, überspitzen: Wir distanzieren uns zu Recht von dieser Art, Politik zu machen.» Auf eine steile These folge bei der CDU nicht die hastige Antwort. Über den Tag hinaus tragende Antworten erforderten Zeit, Maß und Mitte. «Die Währung von Youtubern sind Klickraten. Die Währung einer Volkspartei wie der CDU ist Vertrauen», betonte die Partei.

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