Deutschland

Drogenprozess: Kokain in der Bananenkiste

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In einem der größten Kokain-Verfahren Deutschlands hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen acht Männer erhoben und hofft auch auf einen Schlag gegen einen internationalen Rauschgiftring.

Es dürfte einer der größten Kokain-Prozesse der Geschichte der Bundesrepublik werden. Die Staatsanwaltschaft Landshut hat Anklage gegen acht Männer erhoben. Ermittler gehen davon aus, dass die Angeklagten Teil eines Netzwerks sind, das zwischen September 2017 und April 2018 rund zwei Tonnen Kokain nach Deutschland geschmuggelt haben soll. Ihnen wird bandenmäßiger unerlaubter Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen vorgeworfen. Die Anklage ist auch deshalb außergewöhnlich, weil es den Ermittlern offenbar gelungen ist, Täter aus der mittleren Führungsebene eines international agierenden Rauschgift-Rings zu fassen. Das geht aus Gerichtsunterlagen hervor, die Reporter von NDR, BR und “Süddeutscher Zeitung” einsehen konnten.

Demnach fielen die Taten auf, weil im September 2017 in mehreren Supermärkten in Niederbayern Bananenkisten angeliefert worden sind, in denen die Markt-Mitarbeiter Kokain-Pakete entdeckten. Die Ermittler verfolgten daraufhin die Spur der Lieferungen zurück und stellten fest, dass es immer wieder zu Einbrüchen in sogenannten Reifehallen gekommen war. In diesen Hallen werden Bananen und andere Obstsorten gelagert und von dort in Deutschland und Europa verteilt. Mit Hilfe aufwendiger Überwachungsmaßnahmen konnten die Ermittler das Vorgehen der Täter aufdecken. Zwischenzeitlich waren rund 500 Zollfahnder, Polizisten und Staatsanwälte im Einsatz.

Einbrecher aus Albanien angeheuert

In Ecuador soll demnach Kokain in Bananenlieferungen versteckt worden sein, die allesamt in Reifehallen einer bestimmten Firma in Deutschland geliefert worden sind. In diese Hallen brachen die Täter ein und klauten das Kokain, bis zu 320 Kilogramm pro Einbruch. Dazu, so legen es die Ermittler dar, sollen eigens Einbrecher-Gruppen aus Albanien eingeflogen worden sein. Das LKA Bayern registrierte im Ermittlungszeitraum acht Einbrüche in Reifehallen in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und im Saarland. Überwachungsvideos zeigen, dass die Täter dabei teilweise bewaffnet vorgingen. Durch Funkzellenabfragen und Telefonüberwachung kamen die Ermittler dem Netzwerk letztlich auf die Spur.

Extra angeheuerte Einbrecherbanden stahlen das Kokain aus sogenannten “Reifehallen”

Kontrolliert und gesteuert wurde die Gruppe offenbar aus Hamburg, wo einer der Hauptbeschuldigten, der 21-jährige Dario L. eine konspirative Wohnung angemietet hatte. In dieser Wohnung fanden Ermittler später unter anderem Lieferscheine für Bananen. L. soll als “Logistiker” für die Bande gearbeitet haben, der 25-jährige Klajdi D. soll die Einbrecherbanden geleitet haben. Der 40-jährige Alberto K. soll die gesamte Gruppe angeführt haben. Offenbar beobachtete die Polizei einen Teil der Gruppe der Männer dabei, wie sie vor Einbrüchen Reifehallen ausgekundschaftet haben. Auch Besprechungen in einem Hamburger Café, in dem sich die Männer regelmäßig trafen, wurden offenbar observiert.

Im April 2018 schlugen die Beamten dann im gesamten Bundesgebiet zu und nahmen mehrere Personen fest. In Ahrensburg, Hamburg und Hannover durchsuchten sie außerdem Wohnräume, wobei die Einsatzkräfte zwei scharfe Revolver und mehr als 30.000 Euro in bar sicherstellten. In einem abgetrennten Verfahren sind im Dezember bereits vier Männer in Hamburg verurteilt worden, die als Kurierfahrer rund 180 Kilogramm Kokain von Hamburg in die Niederlande bringen wollten. Sie erhielten mehrjährige Haftstrafen, die Hamburger Staatsanwaltschaft teilte allerdings mit, in Revision gehen zu wollen, weil das Strafmaß zu gering sei.

“Erfolg, der in der Szene Eindruck macht”

Die nun in Landshut angeklagten acht Männer sitzen derzeit in Untersuchungshaft. Das Verfahren ist auch insofern ungewöhnlich, als dass Ermittler hier offenbar mehrere Verdächtige festnehmen konnten, die sie nicht zur untersten Hierarchiestufe der Bande zählen, sondern die mindestens Teile der Gruppe befehligt haben sollen. Peter Keller vom Zollkriminalamt spricht von einem “Erfolg, der auch in der Szene Eindruck macht”. Es sei “ein vitales Netzwerk, was durch die erfolgreichen Ermittlungen jetzt erst einmal gestört ist”. Allerdings rechnet Keller damit, dass die Bande die verhafteten Mitglieder ersetzen werde.

Rund 500 Zollfahnder, Polizisten und Staatsanwälte waren bei der Ermittlung im Einsatz

Weitere Hintermänner der Bande, die auch in Albanien, den Niederlanden und in Südamerika aktiv sein soll, sind bislang nicht gefasst. Nach Informationen von NDR, BR und SZ sind in den vergangenen Monaten in anderen europäischen Ländern vermehrt Kokainfunde gemacht worden, die ebenfalls aus Ecuador stammten und in Bananenlieferungen versteckt waren. Der zuständige Chefermittler des LKA Bayern, Jörg Beyser sagte dem NDR, dass die Ermittlungen weitergingen. “Wir versuchen nun, die Hintermänner der Bande aufzudecken und setzen dabei insbesondere auf eine intensive internationale Zusammenarbeit”. Über die Eröffnung der Hauptverhandlung entscheiden jetzt die Gerichte.

Rechtsanwalt Hubertus Werner tritt als Verteidiger in dem anstehenden Verfahren auf. Er sagte, es werde sich erst im Prozess zeigen, wie belastbar die Beweise seien. Insbesondere die Auswertung von Funkzellen und die daraus geschlossene Zugehörigkeit einzelner Beschuldigter zu einer Tätergruppe kritisierte Werner. Er sprach von einer “anlasslosen Überwachung”, die seiner Ansicht nach rechtlich schwierig und nicht mit der Strafprozessordnung zu vereinbaren sei. Der Anwalt rechnet mit einem langwierigen Prozess: “Ich gehe davon aus, dass schon allein auf Grund der Vielzahl der Angeschuldigten und der Vielzahl der Anwälte es sehr kompliziert sein wird, den Sachverhalt vollständig aufzuklären”, sagte er.

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