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Eric Carle: Was macht der erfolgreiche Kinderbuchautor heute?

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Der New Yorker Autor und Illustrator schuf 1969 einen Kinderbuchklassiker: Die kleine Raupe Nimmersatt”

Eric Carle, 89, in seinem Haus in North Carolina, wo er den Sommer verbringt. Im Winter lebt er in Florida

Mister Carle, “Die kleine Raupe Nimmersatt“ steht in Millionen von Kinderzimmern. Arbeiten Sie noch immer an Bilderbüchern?

Nein, ich habe aufgehört. Stattdessen beschäftige ich mich mit Paul Klee und dessen Engelsdarstellungen. Klee fasziniert mich, seit ich seine Kunst nach dem Krieg kennenlernte.

Wie wurden Sie zum Kinderbuchautor?

Ich war Artdirector in einer Werbeagentur in New York, und eine Illustration, die ich für eine Anzeige entwarf, zeigte einen Hummer. Sie gefiel dem Redakteur eines großen Verlags, und er beauftragte mich, sein Buch “Brauner Bär, wen siehst du da?” zu bebildern. Es hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich danach beschloss, selbst Autor für Kinder zu sein. Das war 1966.

Warum machten Sie Bücher über Insekten?

Mein Vater nahm mich oft mit auf Spaziergänge zu Wiesen und Wäldern. Er erklärte mir die kleinen Insekten, wir sammelten Maikäfer und retteten verletzte Vögel. Ich fand es interessant, Bücher über Insekten als Metaphern für Kinder zu gestalten.

Warum mögen Kinder Ihre Bücher noch immer so sehr?

Jahrelang haben mein Verleger und ich das nicht verstanden. Aber irgendwann war mir klar: Es ist die Hoffnungsgeschichte. Du wirst zum Beispiel wie die Raupe Nimmersatt, ein kleines und sogar hässliches Tier, groß und schön werden, deine Flügel, also dein Talent, entfalten und in die Zukunft hinausfliegen.

Ihre eigene Lebensgeschichte ist ziemlich unfassbar. Sie wurden 1929 in New York geboren, zogen mit Ihren Eltern aber in der Nazizeit nach Stuttgart.

Meine Oma hatte fünf Kinder, drei von ihnen lebten in den USA. 1934 besuchte sie die und bat sie, doch wieder nach Hause zu kommen. Mein Vater lehnte das ab, aber meine ebenfalls deutsche Mutter bekam Heimweh und überzeugte ihn. So zogen wir 1935 nach Feuerbach.

Als Sie 15 waren, wurde Ihre Schulklasse an den Westwall transportiert. Was passierte da?

Wir Buben mussten Schützengräben ausheben. Überall herrschte Chaos, um es milde auszudrücken. Es gab Jagdflugzeuge und Maschinengewehrfeuer, niemand versorgte uns. Ich bekam einen bösen Hautausschlag und erhielt die Erlaubnis, nach Hause gehen zu dürfen. Auf der Heimfahrt kam es zu Tiefangriffen, ich sprang aus dem Zug und suchte Schutz, wo immer es möglich war.

Sie sind trotzdem in Deutschland geblieben. Warum?

Ich habe an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart studiert. Danach kamen die ersten Arbeiten für das dortige Amerikahaus, etwa ein Dutzend Plakate im Siebdruck. 1952 zog ich wieder in die USA, stellte mich bei der “New York Times” vor und bekam einen Job als Grafiker.

War das Ihr Durchbruch?

Nein, nach einem halben Jahr wurde ich während des Koreakrieges in die US-Armee eingezogen. Weil ich Deutsch sprach, versetzte man mich nach Mannheim und später nach Stuttgart. Ich wurde der Divisionsbriefträger. Weil ich Künstler war, musste ich außerdem das Wappen vor dem Hauptquartier nach jedem Regen frisch streichen.

In Ihren Büchern erfüllen Sie die Sehnsüchte der Tiere. Wenn Sie sich selbst einen großen Traum erfüllen könnten, welcher wäre das?

Wie es so schön in der 9. Beethoven-Sinfonie gesungen wird: Alle Menschen werden Brüder.

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