Politik

Gastkommentar von Andreas Rödder zum Kampf um den CDU-Vorsitz: Die Jagd auf Friedrich Merz

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Die Verleumdung des Kandidaten – Andreas Rödder erhebt in seinem Gastkommentar Einspruch gegen eine Kampagne, die unsere Zukunft gefährde.

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Jagdszenen im Blätterwald. “Kann ein Millionär CDU-Vorsitzender werden?” Natürlich kann er das, wird der zackigen Überschrift im Text pflichtschuldig nachgeschoben. Aber gesagt ist gesagt. Irgendetwas bleibt hängen. In Deutschland hat der Staat eine längere Tradition als individuelle Freiheit und Wettbewerb. Wäre Merz Studienabbrecher oder gescheiterter Unternehmer, hätte er kein Problem. Und dann rechnet er sich auch noch der Mittelschicht zu. Ökonomisch ist das bei seinem Einkommen natürlich falsch. Kulturell nicht, weil “Mittelschicht” das überwiegende Lebensgefühl der deutschen Gesellschaft wiedergibt. Was wäre gewesen, wenn er gesagt hätte, er zähle sich zur Oberschicht?

Er hätte auf die Frage gar nicht antworten sollen, sagten andere. Das heißt: Er hätte sich auf den unverbindlichen Politsprech zurückziehen sollen, über den man sich dann beklagt. Wie unaufrichtig will man sein? Und welcher Bürger soll eigentlich bereit sein, Politik zu machen, wenn man sich so von der Doppelmoral einer tendenziösen Medienöffentlichkeit drangsalieren lassen muss?

Und dann der Hammer: “Merz stellt Grundrecht auf Asyl infrage” (ich zitiere Schlagzeilen). Was war passiert? Merz war nach einer europäischen Regelung der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik gefragt worden. Antwort: Man müsse darüber debattieren, ob sich eine solche Regelung mit dem deutschen Individualrecht auf Asyl vereinbaren lasse.

UNSER GASTAUTOR

Andreas Rödder ist Professor für Neueste Geschichte an der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität. Er beschäftigt sich mit dem Kampf um den CDU-Vorsitz – insbesondere mit Friedrich Merz.

Nur ein Prozent der Asylbewerber erhalte Asyl nach deutschem Recht, hieß es empört, alle anderen nach internationalem Recht. Wenn dem so wäre, dann hätte Merz das “Grundrecht auf Asyl” nicht infrage gestellt, was er sowieso nicht getan hat. Abgesehen davon: Nach welchen Kriterien deutsche Gerichte urteilen, ist ziemlich unerheblich dafür, dass Deutschland mit seinem Asylrecht Migranten anzieht. Wenn aber tatsächlich europäisches Recht gälte, könnte nach dem Dubliner Übereinkommen gar kein Migrant an der deutschen Landgrenze anlangen, weil das Asylverfahren in dem Staat stattfinden müsste, in dem er die EU erstmals betreten hat.

Aber Logik wird ohnehin überschätzt. Irgendwas wird schon hängen bleiben. Jedenfalls hat die Asylaufregung den Kandidaten Merz kräftig beschädigt. Halali.

Ich halte das für Kampagnenjournalismus. Der Kommunikationswissenschaftler Michael Haller hat schon für die Flüchtlingskrise festgestellt, dass Massenmedien nicht als neutrale Berichterstatter auftraten, sondern selbst Partei wurden und Politik machten. Dasselbe gilt für Demoskopen, indem sie uns täglich Umfragen vorsetzen, die selbst Meinung machen. Ein politisch-journalistisch-demoskopisches juste milieu entscheidet aus eigener Vollkommenheit über falsch und richtig, bevor so etwas wie öffentliche Debatte überhaupt stattfindet.

“Friedrich Merz ist gegen beitragsfreie Kitas”. Das war das Fazit aus einem Tribunal, dem sich der Kandidat bei Anne Will unterziehen musste. Manuela Schwesig formulierte mit moralischem Absolutheitsanspruch ein Menschenrecht auf gebührenfreie Kita und Sozialleistungen aller Art. Merz wollte demgegenüber nicht einsehen, dass ein Facharbeiter mit seinen Steuern für die Betreuung der Kinder einer Chefärztin und eines Rechtsanwalts bezahlen soll. Wenn er darauf hinweist, dass Mittel für die Umverteilung erst erarbeitet werden müssen, dann heißt es: Klingt wie von gestern, er ist eben lange raus.

Man kann auch sagen: Es zeigt, wie sich die Koordinaten unserer Politik verschoben haben. Was Merz anspricht, sind die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft und einer Bürgergesellschaft, die damit rechnen muss, dass die Hochkonjunktur demnächst zu Ende geht. Und dann wäre es besser, das Land hätte sich fit gemacht für die Zukunft, statt die Früchte früherer Reformen zu vervespern. Vielleicht ließe sich die Öffentlichkeit besser daran erinnern, statt einer ignoranten und hochmütigen Kampagne zu verfallen.

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