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Gelb-Rote Karte gegen Beleidigungen im Landtag

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Wiesbaden (dpa/lhe) – Der Einzug der AfD in den nächsten hessischen Landtag sorgt schon im Vorfeld für gravierende Änderungen im Landesparlament. Einstimmig und ohne Diskussion haben die Abgeordneten während ihrer jüngsten Sitzung am 5. Dezember die Geschäftsordnung des Landtags geändert und die Möglichkeit geschaffen, Hetze und verletzende Zwischenrufe schneller und schärfer zu ahnden. In Zukunft können Parlamentarier nach groben Verfehlungen von der Sitzung ausgeschlossen werden, ohne dass sie zuvor zur Ordnung gerufen wurden.
«Es wird härter werden», ist aus dem Umfeld des Landtags zu hören. Insbesondere die zu erwartenden Debatten zwischen linken und rechten Rednern bereiten einigen Abgeordneten Sorge. «Die Änderung der Geschäftsordnung soll sicherstellen, dass auch in Zukunft noch geordnete Debatten möglich sind», erklärte Pascal Schnitzler, Sprecher des hessischen Landtags, den Sinn der Änderungen.
Damit dies möglich ist, wurde etwa das Mittel der Rüge eingeführt. Wer sich verletzend oder ungebührlich äußert, darf in Zukunft vom Präsidium offiziell gerügt werden. Das wurde zwar auch schon früher so gehandhabt, stand aber nicht in der Geschäftsordnung. Neben dem Sitzungsausschluss wurde eine weitere Sanktionsmöglichkeit beschlossen, die Schnitzler als das «schärfste Schwert» bezeichnet. Der Präsident darf in Zukunft einen Parlamentarier nachträglich für die nächste Sitzung sperren, wenn er sich zuvor beleidigend geäußert hat. Das ist sozusagen die Gelb-Rote Karte für Parlamentarier, wie Schnitzler bestätigte.
«Das trifft alle Fraktionen gleichermaßen und wir erwarten, dass sich alle daran halten», sagte Günter Rudolph, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, zu den neuen Regeln. Er betonte, dass es sich um «gravierende Verletzungen» handeln müsse, um einen Parlamentarier aus einer Sitzung auszuschließen. Als Beispiel nannte Rudolph volksverhetzende oder menschenverachtende Äußerungen. «Darauf muss das Präsidium reagieren können, das war bisher nicht der Fall», sagte Rudolph.
Die SPD-Fraktion stellt sich darauf ein, dass die Debatten schärfer werden. Um sich auf die Konfrontation mit der AfD vorbereiten zu können, treffen sich die hessischen Sozialdemokraten nächste Woche mit ihren rheinland-pfälzischen Kollegen und lassen sich von ihnen über die Erfahrungen mit der AfD berichten.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Holger Bellino, erklärte: «Wir haben die Geschäftsordnung für die Herausforderungen eines Sechs-Parteien-Parlaments fit gemacht.» Der CDU sei es um die Lösung von Problemen gegangen, die sich bereits in der vergangenen Wahlperiode gezeigt hätten. Mit großem zeitlichem Vorlauf sei daher die Geschäftsordnung überarbeitet worden.
«Bei aller Streiterei sollen bestimmte Grenzen nicht überschritten werden», kommentierte Hermann Schaus, parlamentarischer Geschäftsführer der Linken, die neuen Sanktionen. Schaus wollte, wie auch Rudolph, die Änderungen nicht nur als Reaktion auf die AfD verstanden wissen, bestätigte jedoch auf Nachfrage, dass etwa der Sitzungsausschluss ohne vorhergehenden Ordnungsruf dazu dienen soll, Hetze zu verhindern.
Laut Jürgen Frömmrich, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, sind die schärferen Sanktionen nicht durch den Einzug der AfD begründet, wenngleich dieser einer Rolle spiele. Vielmehr habe das Parlament seit geraumer Zeit über neue Regeln diskutiert. «Wenn es eskaliert, muss man dem Präsidenten die Möglichkeit geben, durchzugreifen», stellte Frömmrich klar.
AfD-Sprecher Robert Lambrou begrüßte die Änderungen. «Ich finde den Umgangston im Landtag ohnehin gewöhnungsbedürftig», sagte er und fügte an: «Wenn man sieht, wie die fünf Fraktionen auch ohne die AfD aufeinander einprügeln, sollten sie sich lieber an die eigene Nase fassen.» Für Lambrou steht fest: «Wir sind eine bürgerlich-konservative Partei und werden das Niveau heben und nicht senken.»
Es gibt weitere Änderungen: In Zukunft dürfen Abgeordnete im Plenum keine Fotos mehr von anderen Abgeordneten machen. Dies sei laut Schaus auch eine Reaktion auf den Einzug der AfD. Bisher habe es eine freiwillige Vereinbarung gegeben, dass sich die Parlamentarier nicht gegenseitig fotografieren. Diese sei nun nicht mehr ausreichend gewesen.
«Fehlverhalten gibt es auch bei anderen Parteien», sagte indes Jürgen Lenders, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, und wollte die Änderungen in der Geschäftsordnung ebenfalls nicht nur als Reaktion auf die AfD verstanden wissen. Vielmehr sei es auch um Klarstellungen gegangen. Für ihn ist die zukünftig mögliche Abwahl von Präsidiumsmitgliedern die gravierendste Verschärfung. Wer mit seinem Verhalten die Würde des Landtags beschädige, müsse in Zukunft mit seiner Abwahl rechnen. Da sei es gleich, ob er dem linken oder rechten Spektrum angehöre, so Lenders abschließend.

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