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Gewaltausbruch in der galaktischen Vorstadt

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Megateleskop findet Millisekunden-Phänomen: Astrophysiker haben den Ursprung eines Radioblitzes verortet. Das hilft auch bei anderen wichtigen Fragen.

Spezialisierte Teleskope nehmen Radioblitze war, deren Wellen Milliarden von Kilometern entfernt entstehen.

Astronomen haben erstmals den Ursprung eines einmaligen schnellen Radioblitzes in den Tiefen des Alls aufgespürt. Der extrem kurze Ausbruch von Radiostrahlung, den das Teleskopsystem Askap in Australien am 24. September 2018 registrierte, kam demnach aus einer 3,6 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie. Das berichtet das internationale Team um Keith Bannister von der australischen Forschungsorganisation CSIRO im Fachblatt “Science”. Zuvor hatte ein anderes Team bereits die Herkunft sich wiederholender schneller Radioblitze bestimmt, die aber die große Ausnahme sind.

85 Ausbrüche seit 2007

Schnelle Radioblitze (Fast Radio Bursts; FRB) leuchten typischerweise nur tausendstel Sekunden am Firmament auf. Welcher Mechanismus hinter dem rätselhaften Phänomen steckt, ist ungeklärt. Die mysteriösen Blitze waren 2007 erstmals bemerkt worden.

Seitdem wurden 85 dieser plötzlichen Ausbrüche von Radiostrahlung registriert. Fast alle Blitze sind einmalige Ereignisse. Nur in zwei Fällen wurden wiederholt schnelle Radioblitze an derselben Stelle beobachtet.

Flüchtige Erscheinungen mehrere Billionen Kilometer entfernt von der Erde

Die Herkunft der Blitze ist wegen ihrer extrem kurzen Dauer schwer zu bestimmen. Eine der beiden Serien von Radioausbrüchen wurde vor zwei Jahren einer rund drei Milliarden Lichtjahre entfernten Zwerggalaxie zugeordnet. Ein Lichtjahr ist die Strecke, die das Licht – und auch der Radioblitz – in einem Jahr zurücklegt: rund 9,5 Billionen Kilometer.

Dank eines auf schnelle Radioblitze spezialisierten Beobachtungsmodus gelang den Astronomen um Bannister nun zum ersten Mal die Zuordnung eines Einzelblitzes zu einer Galaxie. Als den “großen Durchbruch, auf den das Feld gewartet hat, seit Astronomen die schnellen Radioblitze 2017 entdeckt haben”, bezeichnet der Forscher in einer CSIRO-Mitteilung nicht die Ergebnisse ganz unbescheiden.

Askap steht für “Australian Square Kilometre Array Pathfinder”. Es ist eine Art Pionieranlage für das geplante quadratkilometergroße Radioobservatorium “Square Kilometre Array”, kurz SKA, das in Australien und Südafrika entstehen soll. SKA ist als größte Teleskopanlage der Welt geplant, bestehend aus tausenden Einzelantennen, die über Glasfaserkabel miteinander verbunden sind.

Unterschiede von Nanosekunden lassen auf Herkunft der Blitze schließen

Schon 2017 kam ein Forscherteam um Shami Chatterjee von der Cornell-Universität in New York dem Ursprung eines Radioblitzes sehr nahe. Sie verorteten ihn im Zentrum einer leuchtschwachen Galaxie. Die Messung war aber noch zu ungenau, um seinen Ursprung exakt zu bestimmen.

Die Heimat des jetzt lokalisierten Blitzes ist der Analyse zufolge eine mittelgroße Galaxie im Sternbild Kranich am Südhimmel. Sie unterscheidet sich deutlich von der Heimat der Serienblitze. Die Himmelsposition des Einzelblitzes ließ sich aus den leicht unterschiedlichen Ankunftszeiten bei den insgesamt 36 Parabolantennen des Askap-Teleskopsystems ermitteln.

“Aus diesen winzigen Zeitdifferenzen – nur Bruchteile einer Milliardstelsekunde – konnten wir die Heimatgalaxie des Ausbruchs bestimmen und sogar seinen exakten Ausgangspunkt, 13.000 Lichtjahre außerhalb des Zentrums der Galaxie in der galaktischen Vorstadt”, erläutert Ko-Autor Adam Deller von der Swinburne University in Melbourne.

Radioausbrüche geben Aufschluss über den Raum zwischen den Galaxien

“Das ist, als würde man vom Mond aus die Erde beobachten und nicht nur Bescheid wissen, in welchem Haus eine Person lebt, sondern auch auf welchem Stuhl am Tisch im Esszimmer sie sitzt”, ergänzte Bannister. Die Galaxie war nach der Positionsbestimmung durch Askap mit einigen der größten Teleskope der Welt erkundet und charakterisiert worden. Die Forscher hoffen, dass diese und weitere derartige Funde dabei helfen, den Mechanismus hinter den schnellen Radioblitzen zu bestimmen.

Darüber hinaus lassen sich die kurzen Blitze auch nutzen, um die Menge an Materie zwischen Galaxien zu bestimmen. Denn die Radioausbrüche werden von der Materie, die sie auf ihrem Weg passieren, in charakteristischer Weise verändert. Aus den Eigenschaften eines Blitzes lässt sich daher ablesen, wieviel Materie er durchkreuzt hat. Lässt sich die Länge seiner Flugstrecke messen, wie es jetzt gelungen ist, ergibt sich daraus die Materiedichte im intergalaktischen Raum. Für aussagekräftige Analysen muss zunächst allerdings die Herkunft einer ausreichenden Zahl von Radioblitzen bestimmt werden. (sde/dpa)

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