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Kassen in Rheinland-Pfalz für Bürokratieabbau in Kliniken

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Jede zweite Krankenhausabrechnung ist falsch. Allerdings steht oft kein Betrug dahinter. Die Kliniken sind vielmehr mit der Bürokratie überfordert. Das soll besser werden.

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MAINZ – „Jede zweite überprüfte Krankenhausabrechnung ist falsch.“ Diese Schlagzeile sorgte Anfang des Monats für Aufregung. Schummeln deutsche Kliniken systematisch? Viele Fehler beruhen auf dem zu hohen bürokratischen Aufwand, halten rheinland-pfälzische Experten dagegen. Sie begrüßen, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) das Abrechnungssystem jetzt vereinfachen will.

1,6 Milliarden Euro gibt die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland jährlich für Krankenhausrechnungen aus. Um 50 Millionen Euro wird die Summe nach den Prüfungen gekürzt, teilt die AOK mit. Das geschehe „größtenteils einvernehmlich“. Wobei die „Komplexität des Systems“ ständig steige.

„Es wäre wichtig, die Krankenhäuser durch klare Abrechnungen von unnötigen Dokumentationspflichten zu entlasten“, sagt Roland Engehausen, Vorstand der IKK Südwest. Kassen müssten daher häufig Formalitäten prüfen. Dem Versicherten käme das nicht zugute, etwa indem die Qualität der Behandlung besser würde. Warum prüfen die Kassen dann solche Punkte, wenn sie wissen, dass der Versicherte nicht profitiert? Sie stehen im Wettbewerb miteinander. Und wenn sie den Krankenhäusern Rechnungen durchgehen lassen, weil diese nur formal falsch sind, handeln sie sich einen Nachteil ein. Denn die andere Kasse nutzt diese Chance zur Kürzung vielleicht aus.

Indem sie solche Formfehler ausnutzen, würden sich die Kassen auf Kosten der Krankenhäuser um Milliarden Euro entlasten, sagte Josef Düllings dem Westfalenblatt. Er ist der Präsident des Verbands der Krankenhausdirektoren Deutschlands. „Echte Fehler“ machten nur ein bis zwei Prozent der Summe aus, die insgesamt beanstandet werde.

An diesem Punkt setzt auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn an. Er will die Prüfungen neu regeln. Und dabei die Krankenhäuser stärken. So sieht es ein Referentenentwurf vor, der dieser Zeitung vorliegt. Demnach will er im nächsten Jahr Prüfquoten einführen. Dabei will Spahn korrekte Abrechnungen fördern: Umso zuverlässiger ein Krankenhaus arbeitet, umso weniger darf es geprüft werden. Gibt es viele Korrekturen nach der Prüfung, steigt die Prüfquote. Wird wenig nachgebessert, wird in Zukunft auch weniger geprüft. Zudem will der Minister den Wust an unterschiedlichen Abrechnungen vereinfachen.

Außerdem will Spahn den Prüfdienst MDK neu regeln. Der soll mit den Krankenkassen keine Arbeitsgemeinschaften mehr bilden, wie es im Entwurf heißt. Stattdessen soll der Prüfdienst zu einer „eigenständigen Körperschaft des öffentlichen Rechts“ werden. Das soll dem MDK mehr Eigenständigkeit gegenüber den Kassen geben, die ihn finanzieren. Das Ministerium rechnet damit, dass den Kassen zunächst ein finanzieller Schaden entsteht. Wenn weniger geprüft werde, werde auch weniger Geld zurückgezahlt. Das Haus hofft auf einen Langzeiteffekt: Wenn verstärkt die geprüft werden, die fehlerhaft arbeiten, dann werde es pro Prüfung mehr Rückzahlungen geben.

Engehausen kann den Ansatz nachvollziehen: „Am Ende des Reformprozesses sollte das Prüfrecht als Instrument des Preiswettbewerbs der Kassen ausgedient haben.“ Kassen sollen also nur dann kürzen, wenn es für den Patienten sinnvoll ist – nicht einfach nur, weil sie es können. Die Prüfquoten sieht der IKK-Chef aber kritisch: Höchstgrenzen könnten Anreize für Missbrauch setzen. Wenn ein Krankenhaus weiß, dass es in einem laufenden Jahr nicht mehr geprüft werden kann, könnte es Fehler machen, ohne Folgen fürchten zu müssen. Engehausen spricht sich daher dafür aus, den Prüfaufwand zu begrenzen – die Verteilung aber den Kassen zu überlassen.

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