Wissen und Technik

Kosmische Flaschenpost

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Vor 40 Jahren startete „Voyager 1“ mit einer Botschaft der Menschheit zu den Sternen. Jetzt verlässt die Sonde das Sonnensystem.

Goldene Schallplatte der Menschheit. An Bord der interstellaren Sonden „Voyager 1“ und „Voyager 2“ befinden sich vergoldete…

Gibt es Lebewesen mit Geist und Verstand nur auf der Erde? Kein Mensch weiß es. Doch immer neue Entdeckungen extrasolarer Planeten – zuletzt der Zwergstern Trappist-1 mit sieben Planeten – heizen die Fantasie an. Allerdings endete bislang jeder unserer Lauschangriffe auf die Außerirdischen mit dem gleichen enttäuschenden Ergebnis. In welche Himmelsrichtung wir unsere Radioteleskope auch richteten und auf welchen Wellenlängen wir auch immer versuchten, in den erhofften interstellaren Funkverkehr reinzuhorchen: Außer Rauschen nichts gewesen.

Dann halt selber in das Weltall hinausposaunen, dass die Erde von intelligenten Lebewesen bewohnt ist, dachten sich die Astronomen. Die bislang umfangreichsten Kontaktanbahnungsversuche mit den Außerirdischen haben wir im Jahre 1977 gestartet. Die Chancen auf außerirdisches Gehör sind zwar äußerst gering. Immerhin aber können nun zunächst einmal wir Erdlinge selber anschauen und vor allem anhören, was da an Bord der beiden Raumsonden „Voyager 1“ und „Voyager 2“ an Informationen über unsere Wissenschaft, Zivilisation und Kultur in das weite Weltall hinausgetragen wird.

Mit 60000 Sachen raus aus dem Sonnensystem

Die Hauptaufgabe der beiden Sonden war jedoch, Bilder und Daten der vier äußeren Planeten des Sonnensystems zur Erde zu funken. Voyager 1 und 2 flogen dafür an Jupiter und Saturn vorbei, Voyager 2 danach sogar noch an Uranus und Neptun. Bei jedem Vorbeiflug an einem dieser Planeten wurden die Sonden von der jeweiligen Anziehungskraft genau so abgelenkt und weiter beschleunigt, dass sie den nächsten Planeten erreichen konnten.

Am Ende dieses grandiosen Gravitationsbillards waren beide Sonden so schnell geworden, dass sie nun tatsächlich drauf und dran sind, in den interstellaren Raum vorzustoßen. Voyager 1 ist mit ihrer Geschwindigkeit von 60 000 Kilometer pro Stunde die schnellere der beiden Sonden. Zur Zeit ist sie bereits 20 Milliarden Kilometer von uns entfernt. Ihre Funksignale – und es kommen tatsächlich noch welche bei der Erde an – sind schon fast einen ganzen Tag bis zu uns unterwegs.

Weit weg. „Voyager 1“ ist mehr als 20 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt.

Die Astronomen streiten allerdings darüber, ob Voyager 1 damit das Sonnensystem bereits verlassen hat. Denn außer zahlreichen Zwergplaneten fliegen dort draußen auch noch unzählige Kometenkerne in noch viel größerem Abstand im Banne der Anziehungskraft der Sonne um sie herum. Es werden also noch viele Jahrhunderte vergehen, ehe Voyager 1 wirklich im interstellaren Raum angekommen sein wird. Und erst in etwa 40 000 Jahren wird sie zum ersten Mal auch nur in die Nähe eines anderen Sterns kommen: AC + 793888 im Sternbild Kleiner Bär. Und falls dieser Stern einen Planeten besitzt mit intelligenten Lebewesen, und falls eine ihrer Raumpatrouillen Voyager 1 tatsächlich abfangen sollte, dann werden sie erstaunt die Huckepack-Botschaft entdecken: zwei 30-cm-Langspielplatten mit Bildern, Geräuschen und Musik von der Erde.

Auf den Langspielplatten war aber nur begrenzt Platz. Und einige UN-Delegierte wollten den Außerirdischen ja auch noch kurz etwas sagen. Was also sollten der Astronom Carl Sagan und seine Mitstreiter sonst auswählen als unerlässliche Beiträge zur Darstellung der Erde und ihrer Bewohner? Was würden die Außerirdischen verstehen?

Wissenschaft als Botschaft für Außerirdische

Auf jeden Fall: Wissenschaft. Das kleine Einmaleins, der Aufbau der Atome, das Spektrum des Lichts von Sternen, dies alles ist im Wortsinn universell gültig auch noch im letzten Winkel des Weltalls. Nachdem so hoffentlich eine gemeinsame Kommunikationsbasis hergestellt werden konnte, folgen Bilder, mit denen sich der Mensch selber vorstellt. Unsere Methode der Fortpflanzung etwa. Im prüden Amerika eine heikle Aufgabe.

Weniger problematisch sind dagegen die weiteren Bilder. Sie zeigen die Erde und die Menschen auf ihr, die als lernfähige und soziale Wesen im Laufe ihrer Geschichte nach und nach die Natur nach ihren Bedürfnissen gestaltet und verändert haben bis zu ihrer heutigen Zivilisation. Interessant für Berliner ist Bild 107: Ein fertiggestellter Flughafen als Inbegriff der Mobilität. Und schließlich das letzte Bild 116: eine Violine neben einem Notenblatt, Sinnbild unserer Kultur.

Überhaupt Musik: Offenbar traute man ihr am ehesten zu, die Außerirdischen einzustimmen auf unsere Art, die Welt wahrzunehmen und unsere Meinungen und Gefühle auszudrücken. Die Auswahl der 27 auf der Platte enthaltenen Musikstücke erfolgte nach ethnischen, geografischen und kulturellen Gesichtspunkten. Vielleicht können musikalische Aliens daraus die Kulturen heraushören, aus denen sie stammen, und vielleicht sogar ihre Entwicklungsgeschichte in den verschiedenen Erdteilen? So musste Debussy aus Platzgründen dem Initiationsgesang von Pygmäenmädchen aus Zaire weichen und George Gershwin einem Gesang australischer Aborigines.

Auch ein Beatles-Song sollte mitfliegen – aber die Plattenfirma war dagegen

Eine andere Schwierigkeit bei der Musikauswahl war, dass dermaleinst vielleicht auf fernen Planeten Stücke ertönen würden, ohne dass deren irdische Besitzer, meistens Schallplattenfirmen, in absehbarer Zeit Tantiemen dafür erhalten würden. So kommt wegen ungeklärter Rechte auf ewige Zeiten kein Außerirdischer in den Genuss des ursprünglich vorgesehenen Beatles-Songs „Here comes the sun“. Dafür werden in Millionen Jahren irgendwo in der Milchstraße die Wände wackeln bei Chuck Berrys „Jonny B. Goode“. Wenn sie ihre Verstärker aufdrehen, werden wenig später den Aliens die Ohren klingeln bei den Sopranhöhen in Mozarts „Arie der Königin der Nacht“.

Natürlich hat es auch Johann Sebastian Bach ins Weltall geschafft. Und zwar gleich drei Mal, trotz aller Bedenken, dass diese Bevorzugung von den Außerirdischen womöglich als Prahlerei über unsere irdischen Kompositionskünste aufgefasst werden könnte. Die Musik der Voyager-Platte beginnt denn auch strahlend und optimistisch mit dem ersten Satz von Bachs „Brandenburgischem Konzert Nr. 2“. Ob der schwarze Musiker Blind Willy Johnson mit seinem traurigen Blues „Dark was the night“ den Eindruck wohl wieder etwas zurechtrücken wird, bei uns Menschen handelte es sich um ein doch überwiegend harmonisches, friedliebendes, gesittetes und kulturell weit entwickeltes Völkchen? Würden die Extraterrestrischen heraushören können, dass es auf der Erde beileibe nicht immer allen Menschen zu allen Zeiten gut ging? Das letzte Stück, die „Cavatina“ von Beethoven, bringt dann vollends berührend die zutiefst menschliche Unsicherheit zwischen Hoffnung und Traurigkeit zum Ausdruck, zusammen mit unserer Sehnsucht nach Glück und Frieden.

Vielleicht ist die Voyager-Schallplatte alles, was von der Menschheit bleibt

In ferner Zukunft werden die Voyager-Platten womöglich das Einzige sein, was von der Menschheit übrig bleiben wird. Sie bestehen aus Kupfer mit einem Überzug aus purem Gold mit einer Haltbarkeit von mindestens einer Milliarde Jahren. Lange nachdem die alternde Sonne sich allmählich aufblähen wird zu einem Roten Riesenstern und die Erde in eine tote, glühende Gesteinskugel verwandeln wird, werden die beiden Voyager-Sonden noch durch die Weiten der Milchstraße rasen.

Mit einer winzigen Wahrscheinlichkeit wird die kosmische Flaschenpost von der Erde tatsächlich einmal aufgefischt werden von fremden Lebewesen auf einem fernen Planeten. Werden sie den Sinn der Platten erkennen? Schon unsere eigenen Kinder wüssten ja heutzutage in Zeiten von Youtube, iTunes und mp3 kaum noch etwas mit ihnen anzufangen, auch wenn die Langspielplatte gerade eine Renaissance erlebt.

Vorsichtshalber ist deshalb eine Abspielnadel zusammen mit einem Tonarm und einer Bauanleitung ebenfalls an Bord von Voyager 1 und 2. Was aber würden die Außerirdischen wohl für Gesichter machen, wenn sie etwa die Texte entschlüsselt haben, mit denen wir sie in 55 Sprachen begrüßen? Zum Beispiel das Hallo auf Amoy, einem chinesischen Dialekt, das man getrost schon heute als Klassiker interstellarer Kommunikation bezeichnen kann: „Freunde im Weltall! Wie geht es euch allen? Habt Ihr schon gegessen? Kommt und besucht uns, wenn Ihr Zeit habt.“

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