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Krank nach der Impfung

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Autismus! Epilepsie! Lähmung! Die Furcht vor Impfschäden speist sich vor allem aus Gerüchten. Warum es so schwierig ist, aus dem Schicksal Einzelner Rückschlüsse auf seltene Impfrisiken zu ziehen.

Virenschleuder. Masern, Grippe und andere Erreger verbreiten sich über die Luft. Impfungen schützen vor Ansteckung.

Kaja ist fünf Jahre alt. Wunderhübsch, klug, mitunter zickig. Sie schwimmt gern, liebt das Spiel „Elfer raus“ – und sogar ihre Schwester, wenn sie sie nicht gerade hasst. Sie ist beruhigend normal. Vor drei Jahren stand jedoch für sie die Zeit still. Auf den Pikser der Masernimpfung folgte die Ungewissheit, ob sie ein der Welt entrücktes Wesen bleiben würde. Kaja ist meine Tochter.

Wir waren spät dran mit der Masernimpfung. Die Kinderärztin drängte bereits: „Jüngere Kinder vertragen sie besser.“ Kaja hatte jede Impfung perfekt überstanden. Kein Fieber, keine Erschöpfung, nicht einmal ein roter Fleck am Einstich. Warum sollte es jetzt anders sein?

Bis heute gibt es darauf keine Antwort. Aber in fünf Tagen wandelte sie sich von einem fröhlichen in ein müdes (logisch: Impfung), lustloses (komisch, vielleicht Impfung), in ein kaum ansprechbares Mädchen. Sie musste ins Krankenhaus. Im Beipackzettel steht, dass eins von einer Million Kindern eine Hirnhautentzündung bekommt. Das Herz schlug mir bis zum Hals, der Kopf fuhr Achterbahn. War meine Tochter dieser Ausnahmefall? Nach zehn Tagen verschwanden die Symptome. „Wahrscheinlich lag es an der Impfung“, sagte die Ärztin. Sicher ist es nicht.

Der schwierige Umgang mit den Ausnahmefällen

Jedes Jahr sterben 10,6 Millionen Kinder unter fünf Jahren, 1,4 Millionen davon an Krankheiten, die durch Impfstoffe verhindert werden können. Ich weiß nicht, wie oft ich diese WHO-Statistik zitiert habe. Ich habe gegen Impfgegner gewettert, die nicht nur sich und ihre Kinder, sondern die Schwächsten in ihrer Umgebung gefährden. Ich habe Krankenkassen kritisiert, die die Wirksamkeit eines Impfstoffes wegen der Kosten kleinredeten.

Der Schutz vor gefährlichen Infektionen ist unstrittig. Doch fast nichts ist klar, wenn nach dem Pikser das bis dato gesund wirkende Kind krank wird. Kaja war nur ein Verdachtsfall. Ihre Ärztin meldete ihn der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Diese informierte die zuständige Zulassungsbehörde, das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Langen.

So gingen über 10 600 Hinweise auf mögliche Nebenwirkungen von 2005 bis 2009 beim PEI ein. Ärzte, Hersteller, Patienten oder ihre Angehörigen berichteten vor allem von Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, von Übelkeit oder Rötungen am Einstich. 183 Fälle endeten tödlich, 213 erlitten „bleibende Schäden“. Die Verzweiflung, Wut und Schuld, die Familien dann quälen, sind nachvollziehbar.

„Die Leute vermuten oft einen Zusammenhang, wenn die beobachtete Reaktion kurz nach der Impfung auftritt“, sagt Susanne Stöcker, die Sprecherin des PEI. Für Wissenschaftler aber bleibt ein Verdacht so lange ein Verdacht, bis Ursache und Wirkung bewiesen oder widerlegt sind.

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  • Krank nach der Impfung
  • Über 10 000 Verdachtsfälle, 169 anerkannte Impfschäden in fünf Jahren
  • Plötzlich einschlafende Kinder – Löst Pandemrix Narkolepsie aus?
  • Impfen bleibt wichtig: Polio könnte nach Europa zurückkommen.

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