Kultur

Menschen Bilder Emotionen 2018 in der TV-Kritik: Das Ende ist nah

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Heino auf Autotunes, der nackte Hintern von Florian David Fitz, ein Russe mit Ast im Arm, zwischendurch Sturmchaos, Schwangerschaft, zwei Kanzler in spe, Amoklauf und Lilly Becker – das Jahr im RTL-Durchlauferhitzer.

Letztes Jahr Boris, dieses Jahr Lilly: Die Trennung der Beckers als eines der besonderen Ereignisse des Jahres bei Günther Jauch.

Vier Stunden neben einem Toten eingeklemmt zu sein, ist nicht leicht, erzählt Gianluca Ardini. Also, über drei Stunden Jahresrückblick auf RTL ist aber auch nicht ohne, möchte man ihm entgegen. Ardini ist ein italienischer Küchenmonteur und hat den Brückeneinsturz von Genua nur knapp überlebt. In seinem Lkw baumelte er zwischen Leben und Tod, neben sich den Kollegen, der seinen Verletzungen erlegen war. Ardini ist psychisch immer noch stark angeschlagen, das Interview für ihn offenkundig eine Belastung. Vorher gab es mit Michaela Maier eine “Wer wird Millionär“-Gewinnerin von 500.000 Euro im telegenen Dirndl, hinterher ein pinkelndes Kind beim Heiratsantrag – das übliche Tod-und-Trivia-Sandwich, alljährlich von Günter Jauch serviert, sorgt schon nach nicht mal zehn Minuten für leichtes Sodbrennen.

Doch zum Jahresende heißt es traditionell nochmal Zähne zusammenbeißen und die “Menschen Bilder Emotionen” Revue passieren lassen. 365 Tage sind lang, es war wieder mal einiges los. Den Auftakt macht Ingolf Lück. Just am Tag, da die Nachricht vom Tod seiner “Formel Eins”-Nachfolgerin Stefanie Tücking die Runde macht, tanzt Lück zu “Somebody’s Watching Me” und darf noch einmal von seinem Sieg bei “Let’s Dance” erzählen. Wer in diesem Moment von Batic und Leitmayer im Ersten zu RTL rüberzappt, hat bereits einen aggressiven Jung-Elefanten, brennende Häuser und die Freilassung von Deniz Yücel verpasst.

Grün. Umwelt. Günther Jauch begrüßt Robert Habeck

Und in dem Tempo geht es weiter. Die kleine Vanessa hat für ihr Plastikvermeidungsprojekt einen grünen Engel vom Umweltminister bekommen. Grün. Umwelt. Genau. Der nächste Gast ist Robert Habeck, laut Jauch “vielleicht einmal der Nachfolger von Frau Merkel”. Habeck arbeitet sich am Volkspartei-Terminus ab, darf mal an Vanessas selbst angerührtem Spülmittel schnuppern – “riecht wie Caipirinha” – und macht Platz für die Sängerin Namika, an der wiederum Vanessa mal schnuppern darf. Im Teaser vorm Werbeblock schließlich erst der Vater von Daniel Küblböck, dann Heino. Was für ein Timing. “Ich habe eine Überraschung für euch!”, verkündet die Sonnenbrille unter dem gelben Haarhut mit der doch etwas harsch geschnittenen Nackenkante, und das soll wohl soviel heißen wie: Bitte dranbleiben.

Gina Lückenkemper

Skurrile Methode: Warum dieser Leichtathletik-Star im Training an einer Batterie leckt

Zweimal macht Heino uns noch heiß, bevor er dann irgendwann gegen Ende der dritten Stunde auftaucht. Überraschend dabei lediglich, wie schlecht der Konditor aus Zülpich-Ülpenich die wenigen Wortbrocken seines Liedbeitrages auswendig gelernt hat. Bis dahin dauert es ja aber noch etwas, denn vorher müssen noch diverse Haken in der Liste gesetzt werden. Mateusz Przybylko ist beim Hochsprung schon mal neben die Matte gefallen, Leichtathletin Gina Lückenkemper hält sich vorm Sprint eine 9-Volt-Batterie an die Zunge und ihr Pferd, das sogar schon mal in der “Wendy” war, heißt Picasso – man möchte es sich nicht ausmalen, wenn man das alles verpasst hätte. Zur Belohnung gibt es kalte Wurst im Brötchen.

Mario Berwald tanzt nur widerwillig

Mario Berwald, engagierter Kinderarzt und Gute-Laune-Doc, muss – offenkundig gegen seinen Willen – im Studio seinen lebensrettenden Patch-Adams-Tanz vorführen, Günther Küblböck gibt der Schiffahrtsgesellschaft eine Mitschuld am Tod seines Sohnes Daniel. Von der Kreuzfahrt geht es, wie passend, direkt in den Supersommer über, dann schneit es in der Sahara, Kalifornien brennt lichterloh und Sturmtief Friederike darf auch nochmal blasen. Und wenn man einem soviel Windstärke wird serviert, dass ist glatt ‘nen doppelten Nahtod wert. Linda Ellerbrock hat einen Ast durch die Windschutzscheibe bekommen, Ivan Krasouski mitten durch seinen Oberarm. Gut Holz, möchte man den beiden wünschen. “Passen Sie gut auf sich auf”, der Rat des robusten Russen. Ein durchaus passender Hinweis, denn direkt danach kommt endlich – siehe oben – Heino.

Sein Medley aus der Autotunes-Hölle – fünf oder sechs “Hits”, offenkundig von irgendjemand im Tonstudio zusammengetackert, der früher mal “Ronnys Pop-Show” moderiert hat  – ist perfekte Desensibilisierung für Mark Forster, dessen Erscheinen auch noch angedroht wird. Ein bisschen Plausch mit dem Moderator, man sieht sich ja vielleicht in 20 Jahren wieder, sagt Jauch. Heino ist dann 100 und singt möglicherweise eine Grime-Version von “Schwarzbraun ist die Haselnuss” oder “Komm in meinen Wigwam”, zusammen mit Kollegah. Freuen wir uns drauf.

Ingo ein Steinzeit-Name? Der Autor muss schlucken

Im Anschluss dann die Amokfahrt von Münster im Anriss. Ein überlebendes Paar erzählt von seiner Hochzeit direkt danach, noch im Krankenhaus gab man sich das Ja-Wort. “Ein kleines Happy End”, kommentiert Jauch, “aber man solle doch bitteschön nicht vergessen, dass da vier Menschen totgefahren wurden.” In der Regie scheint man diesen Hinweis nicht gehört zu haben. Schnitt – und man sieht Mathias Schweighöfer, nackt, mit eingeklemmtem Pimmel und den Hintern von Florian David Fitz. Auf den übrigens, so Jauch, in Deutschland jede zweite Frau abfährt. Fitz kann nicht nur blankziehen, sondern auch rückwärts Klavier spielen, was er dann auch tut, wobei ihn Jauch auf der Blockflöte begleitet. TV-Szenen jener Art, die einen im nächsten Werbeblock zum Badezimmer-Schrank schlurfen lassen, um nachzuschauen, ob nicht irgendjemand Ecstasy oder Haldol in die Packung mit den Vitraletten geschmuggelt hat. Enthüllt wird zusätzlich zu Fitzens Hintern auch noch sein richtiger Vorname. Der lautet Ingo und ist laut Günther Jauch, wie auch sein eigener, ein Steinzeit-Name, “den es nach uns nicht mehr geben wird”. Da muss dann sogar der Autor dieser Zeilen schwer schlucken.

Eine Rad-Olympiasiegerin im Rollstuhl: Kristina Vogel im Gespräch mit Günther Jauch.

Danach gibt es Polizeialarm, ausgelöst von einer schreienden Schwangeren. Die tapfere Bahnrad-Olympiasiegerin Kristina Vogel, nach einem schweren Trainingsunfall an den Rollstuhl gefesselt, der blinde Torschütze des Monats, Serdal Celibi, der mit Jauch und Forster, beide jetzt mit “Wetten, dass…?”-Verdunklungsbrille, bolzen muss. Im Anschluss dann Jens Spahn, laut Jauch erneut “ein möglicher Merkel-Nachfolger” und als Finale, als Matchball, die gute Lilly Becker. Im Vorjahr saß ihr Ex Boris noch hier und zitierte aus Liebesbriefen der Gattin. Diesmal sitzt diese nun selbst hier, zitterte mehr als dass sie zitierte, und nannte den Vornamen ihres Sohnemanns so oft, dass es klang, als würde sie einen Song von Falco covern. Die Zeit tickert runter, Überziehen ist nicht. Jauch biegt die Nummer ab, sein Fazit: “Wird schon wieder”. Na hoffentlich. Guten Rutsch schon mal, die nächsten Bilder, Menschen, Emotionen kommen schneller als man denkt.

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