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Unterhaus sucht nach Ausweg aus Brexit-Krise

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Bis zum 12. April hat das Parlament in London Zeit, eine Lösung aus dem Brexit-Schlamassel zu finden. Die Abgeordneten suchen nun auf eigene Faust. Mit möglichen Brexit-Folgen ganz anderer Art kämpft unterdessen der internationale Bahnverkehr.

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London/Brüssel (dpa) – Ratlosigkeit in Westminster: Nach der dritten Ablehnung des Brexit-Abkommens im britischen Parlament suchen die Abgeordneten in London nach einem Ausweg aus der Sackgasse.

Für Montag ist im Unterhaus eine weitere Runde von Probeabstimmungen über Alternativen zum Austrittsabkommen der Premierministerin Theresa May geplant. Auch der kommende Mittwoch ist bereits für diesen Prozess vorgesehen.

Spekulationen zufolge könnte es eine vierte Abstimmung über den von May und Brüssel ausgehandelten Deal geben. Auch Neuwahlen sind als Ausweg aus der Misere im Gespräch.

Die frühere britische Bildungsministerin Nicky Morgan brachte am Samstag in einem BBC-Interview die Möglichkeit einer Allparteienregierung ins Spiel. Es müsse eine Mehrheit im Unterhaus sichergestellt werden, um einen geordneten Ausstieg aus der Europäischen Union sicherzustellen, sagte die Tory-Politikerin. Ihr Vorschlag löste ein geteiltes Echo aus. Morgan wird für die Nachfolge der Regierungschefin May gehandelt – neben mehr als einem Dutzend weiterer Kandidaten.

Nach einem Bericht der «Sun» übten etwa 170 Parlamentarier der regierenden Konservativen Partei in einem Brief Druck auf May aus. Großbritannien müsse möglichst bald die EU verlassen und dürfe nicht mehr an den Europawahlen teilnehmen, hieß es darin. Den Brief sollen auch zehn Kabinettsmitglieder unterschrieben haben.

Der Labour-Politiker Ben Bradshaw beklagte, dass die Abgeordneten derzeit in einem Klima der Angst und Einschüchterung lebten. Er selbst führe immer ein mobiles Alarmgerät mit sich, nachdem 2016 seine Fraktionskollegin Joe Cox von einem Rechtsradikalen ermordet worden war. Abgeordnete würden aus Angst vor Bedrohungen entgegen ihren eigenen Ansichten abstimmen, sagte Bradshaw im Deutschlandfunk. Es herrsche eine «schlimme Zeit in Großbritannien».

Bei der ersten Abstimmungsrunde über Alternativen zu Mays Austrittsabkommen hatte es am Mittwoch für keinen der acht Vorschläge eine Mehrheit gegeben. Doch Beobachter halten es für möglich, dass sich die Abgeordneten kommende Woche auf eine der Varianten einigen könnten, die am besten abgeschnitten hatten. Dazu gehören die Vorschläge, dass Großbritannien dauerhaft in einer Zollunion mit der EU bleibt oder dass die Briten in einem erneuten Referendum über das Brexit-Abkommen entscheiden.

Beides scheint nicht mehr ausgeschlossen. Brüssel hat bereits Offenheit für Verhandlungen über eine engere Anbindung Großbritanniens an die EU signalisiert. Auch die Hoffnungen auf eine zweite Volksabstimmung und eine Abkehr vom Brexit sind nicht ganz erloschen. 2016 hatte sich eine knappe Mehrheit der Briten in einem Referendum für den Austritt des Landes aus der EU ausgesprochen.

Ein Austritt ohne Abkommen ist ebenfalls weiterhin möglich, sollte London keine erneute Verlängerung des Brexits erreichen. Neuer Brexit-Tag ist der 12. April. Voraussetzung für eine lange Verschiebung wäre, dass die Briten an der Wahl zum Europaparlament Ende Mai teilnehmen. Beraten will die EU über einen Ausweg aus der Brexit-Krise bei einem Sondergipfel am 10. April.

Immer lauter werden in Großbritannien die Rufe nach einer Neuwahl. Oppositionschef Jeremy Corbyn wartet schon lange auf die richtige Gelegenheit. Die Regierungschefin schien am Freitag nach ihrer erneuten Niederlage selbst diese Möglichkeit anzudeuten: «Ich fürchte, wir nähern uns den Grenzen dieses Prozesses in diesem Haus.» Doch dass die Tories May erlauben würden, die Partei ein weiteres Mal in eine vorgezogene Parlamentswahl zu führen, scheint zweifelhaft.

Mit möglichen Brexit-Folgen ganz anderer Art hatte der internationale Bahnverkehr zu kämpfen: Ein Demonstrant bremste viele Stunden lang die Eurostar-Züge zwischen London und Paris aus. Britische Medien vermuteten am Samstag, dass es sich bei dem Mann um einen Teilnehmer eines Brexit-Protestmarsches handele, da er eine englische Fahne bei sich trug. Am Freitag, dem ursprünglich geplanten Austrittstag Großbritanniens aus der EU, hatten Tausende Brexit-Anhänger mit Fahnen vor dem Parlament in London demonstriert.

Der 44-Jährige hatte die Nacht auf dem Dach des Bahnhofs St Pancras in London verbracht und war nach etwa zwölf Stunden festgenommen worden, wie die britische Verkehrspolizei berichtete. Tausende Menschen waren von dem Chaos betroffen. Die Polizei machte zunächst keine Angaben zum Motiv. Für viele gestrandete Reisende stand der Grund schon früh fest: «Mr Brexiteer, Sie haben meinen Geburtstag und den Rest meines Lebens ruiniert», twitterte etwa eine Frau.

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