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Verhärtete Fronten in München: Merkel rechnet mit Trump ab

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Breitseite gegen Donald Trump: Kanzlerin Merkel nimmt sich bei der Münchner Sicherheitskonferenz die «America-first»-Politik des Präsidenten vor. Trumps Vize lässt das kalt. Sein Chef könnte Deutschland demnächst an einer empfindlichen Stelle treffen.

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München (dpa) – Bei der Münchner Sicherheitskonferenz sind die großen Spannungen zwischen Deutschland und den USA offen zutage getreten. Bundeskanzlerin Angela Merkel rügte am Samstag die Alleingänge von US-Präsident Donald Trump in der Außen- und Handelspolitik scharf.

Trumps Vize Mike Pence forderte die Europäer auf, dem harten Kurs der USA gegen Iran und Russland zu folgen. Doch Merkel denkt nicht daran. Sie setzt auf Strukturen internationaler Zusammenarbeit: «Wir dürfen sie nicht einfach zerschlagen», sagte sie bei der Tagung vor zahlreichen Staat- und Regierungschefs in Anspielung auf Trump.

Die Kanzlerin kritisierte, dass die USA offensichtlich planen, Sonderzölle auf deutsche Autos zu erheben. Wenn deutsche Autos «plötzlich eine Bedrohung der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika sind, dann erschreckt uns das», sagte sie. Die Kanzlerin widersprach Trump in einer Reihe von außenpolitischen Fragen energisch. Sie halte es für einen Fehler des Westens, die Kontakte zu Russland und dem Iran zu kappen.

Dagegen forderte Pence die Verbündeten erneut eindringlich zum Rückzug aus dem Atomabkommen mit dem Iran auf. «Die Zeit für unsere europäischen Partner ist gekommen, an unserer Seite zu stehen», sagte Pence, der in München nach Merkel sprach. «Das iranische Regime befürwortet einen Holocaust und versucht ihn auch zu erreichen», sagte Trumps Stellvertreter. «Antisemitismus ist nicht nur falsch, er ist böse.»

Pence warnte die Europäer zudem davor, sich von russischem Gas abhängig zu machen. «Wir können die Verteidigung des Westens nicht garantieren, wenn unsere Bündnispartner sich vom Osten abhängig machen.» Der US-Vizepräsident dankte allen europäischen Partnern, die sich ganz klar gegen die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee positioniert hätten. «Wir möchten auch, dass andere Länder sich so positionieren.»

Merkel sieht in Russland aber weiter einen Partner. Wenn man die Kontakte zu Russland kappe, überlasse man die Zusammenarbeit mit Moskau ganz China. «Wir wollen auch ein bisschen an den Handelsbeziehungen teilnehmen.» Die Abhängigkeit Europas von russischem Gas hänge nicht davon ab, ob die Pipeline gebaut werde oder nicht. «Ein russisches Gasmolekül bleibt ein russisches Gasmolekül, egal, ob es über die Ukraine kommt oder ob es über die Ostsee kommt.»

Die CDU-Chefin sprach sich auch dafür aus, das Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe beizubehalten. Diesen «kleinen Anker» müsse man nutzen, um auf anderen Gebieten Druck zu machen. Die USA und die Europäer sind sich zwar einig, dass die Einmischung des Irans in regionale Konflikte unterbunden werden muss. Sie setzen dabei aber auf unterschiedliche Mittel. Deutschland will das Abkommen, das im Gegenzug wirtschaftliche Anreize setzt, zusammen mit Frankreich und Großbritannien retten. Die USA sind ausgestiegen und wollen den Iran mit immer härteren Sanktionen unter Druck setzen.

Das US-Handelsministerium schätzt europäische Autos als Gefahr für die nationale Sicherheit ein, wie Merkel in München erklärte. Auf Grundlage dieser Einschätzung des Ministeriums könnte Trump neue Sonderzölle einführen. Der Wert europäischer Auto- und Autoteilexporte in die USA wurde zuletzt von der EU-Kommission auf mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr beziffert.

Merkel sagte, sie verstehe nicht, wie die Amerikaner deutsche Autos als Gefahr für die nationale Sicherheit einstufen könne. «Wir sind stolz auf unsere Autos. Das dürfen wir ja auch.» Noch dazu würden viele der Wagen in den USA gefertigt. Im US-Bundesstaat South Carolina sei das größte BMW-Werk. «Nicht in Bayern, in South Carolina», betonte sie. «Ich glaube, es wäre gut, wir kommen in gute Gespräche miteinander», sagte die Kanzlerin.

Merkel warnte die USA davor, sich vorschnell aus dem Bürgerkriegsland Syrien zurückzuziehen. Sie fragte in München: «Ist es denn nun gut, jetzt aus Syrien sofort und schnell abzuziehen vonseiten der Amerikaner? Oder ist es nicht auch wieder eine Stärkung der Möglichkeiten des Iran und Russlands, dort Einfluss zu nehmen? Auch darüber müssen wir sprechen.»

Sie rief China dazu auf, sich an Versuchen zur Rettung des INF-Abrüstungsvertrages zu beteiligen. Sie wisse, dass es bei dem Thema auf chinesischer Seite viele Vorbehalte gebe. Abrüstung sei aber ein Thema, dass alle umtreibe. Der oberste Außenpolitiker Chinas, Yang Jiechi, sagte laut offizieller Übersetzung in München, Peking sei gegen die «Multilateralisierung» des INF-Vertrags. Die USA hatten den INF-Vertrag Anfang des Monats mit Rückendeckung der Nato-Partner zum 2. August gekündigt. Offizielle Begründung sind Vorwürfe gegen Russland, das Abkommen seit Jahren zu verletzen.

Als weiterer Grund gilt aber auch die Tatsache, dass der aus der Zeit des Kalten Krieges stammende Deal nur Amerikaner und Russen bindet, nicht aber aufstrebende Militärmächte wie China. China soll mittlerweile über knapp 2000 ballistische Raketen und Marschflugkörper verfügen, die unter dieses Abkommen fallen würden.

Pence pochte erneut auf höhere Wehretats der Nato-Verbündeten. Inzwischen habe sich die Zahl der Nato-Staaten verdoppelt, die zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgeben, sagte Pence. Dies sei das Ergebnis der Forderung von Trump, der auf wirtschaftliche und militärische Stärke setze. «Amerika ist heute stärker als je zuvor und Amerika führt die Welt einmal mehr.»

Die Kanzlerin stellte eine weitere Steigerung der deutschen Verteidigungsausgaben in Aussicht, wies aber auch auf die Bedeutung einer umfassenden Entwicklungspolitik hin. Trump drängt seinen Nato-Partner Deutschland, den Verteidigungsetat in fünf Jahren auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufzustocken. Das würde Mehrausgaben in zweistelliger Milliardenhöhe bedeuten. Merkel stellte in Aussicht, bis 2025 1,5 Prozent zu schaffen.

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