Kultur

Virtuose Soli: Gitarrenrock lebt: The War On Drugs live in Berlin

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Gitarrenrock soll also tot sein? Wer die US-Band The War On Drugs am Montagabend in der Berliner Verti-Hall ein Feuerwerk abbrennen sah, wird diese derzeit recht gängige These wohl kaum unterschreiben.

Der Sänger und Gitarrist Adam Granduciel und The War On Drugs in action. Foto: Dominic Steinmann

Das Gitarrensolo hat nicht mehr den besten Ruf. Nur noch machohaft, angeberisch, selbstverliebt sei mittlerweile das, was Jimi Hendrix oder Jimmy Page einst zur hohen Kunst entwickelten. Doch es gibt zum Glück Ausnahmen.

Bei The War On Drugs sind virtuose Gitarrensoli eingebettet in einen derart voluminösen Klangteppich aus Alternative-Folk, Shoegaze und Krautrock-Motorik, dass man gar nicht merkt, wenn man wieder mal einem langen Sechssaiter-Ausritt beiwohnt. Das ist auch am Montagabend beim Berliner Konzert der Grammy-dekorierten Band aus Philadelphia um Adam Granduciel (39) nicht anders.

Und dort, in der eher öden neuen Verti Music Hall am Ostbahnhof, gibt es so einige Soli zu hören, die aber auch dank der uneitlen Attitüde des langhaarigen Frontmannes nie nerven. Granduciel erzeugt mit seinen Leadguitar-Exkursionen Bilder im Kopf, von endloser Weite und einem Land ohne Horizont – seine Musik ist so (fast schon klischeehaft) nordamerikanisch wie nur möglich.

Nicht umsonst wird der mit Keyboards, Trompete und Saxofon aufgerüschte Sound von The War On Drugs mit Bruce Springsteen und seiner E Street Band, mit Neil Young und Tom Petty verglichen. Auch die «amerikanischen» Alben der britischen Dire Straits – vornehmlich «Making Movies» (1980) und «Love Over Gold» (1982) – lassen sich in einigen der prachtvollen Granduciel-Songs als Einfluss heraushören.

Das Berliner Konzert der sechsköpfigen US-Truppe bietet nichts Neues im Vergleich zum Tempodrom-Auftritt des vorigen Jahres, als das vierte Album «A Deeper Understanding» noch ganz frisch war. Diese Majorlabel-Platte, der internationale Durchbruch für The War On Drugs und mit dem Rockalbum-Grammy geehrt, sowie der noch etwas bessere, weil kantigere Vorgänger «Lost In The Dream» (2014) bilden das Gerüst der aktuellen Tournee.

Neue Songs, die auf ein bevorstehendes fünftes Studiowerk im Jahr 2019 hinweisen könnten: Fehlanzeige. Macht aber nichts, wenn man sich mit treibenden Rockern wie «Under The Pressure» oder «An Ocean Between The Waves» so herrlich davontragen lassen kann. Oder wenn man die elfminütige Ballade «Thinking Of A Place» wie eine warme Welle der Euphorie und Empathie erleben darf.

The War On Drugs erzeugen ein Gemeinschaftsgefühl selbst vor mehreren tausend Zuschauern, auch darin ähneln sie ihrem großen Vorbild Springsteen. Sie sind damit live, ohne selbstherrliche Frontmann-Performance, bombastische Lightshow oder andere Effekte, eine der weltweit interessantesten Rockbands. Hier zählt allein die Musik – lange Gitarrensoli inklusive.

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