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Warum Deutschlands Traum vom Handball-Gold platzte

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Zwei Wochen lang schwebte Deutschland auf einer Wolke der Handball-Euphorie, sogar Kanzlerin und Bundespräsident outeten sich als Fans. Doch im Halbfinale ist Endstation. Die Gründe dafür sind ziemlich profan.

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Uwe Gensheimer sitzt einfach nur da. Der Kapitän der deutschen Handball-Nationalmannschaft hat den Kopf nach unten geneigt, Schweiß tropft von seinem klatschnassen Schopf auf den blauen Hallenboden. Vor wenigen Sekunden ertönte die Schlusssirene, Deutschland ist im WM-Halbfinale gescheitert. In der anderen Spielfeldhälfte feiern die Norweger, tanzen im Kreis und singen. Gensheimer scheint den Anblick nicht zu ertragen. Trainer und Mitspieler klopfen ihm auf die Schulter, doch er reagiert nicht, braucht diesen Moment für sich. Langsam erhebt er sich, stellt sich in die obligatorische Reihe der Mannschaften und starrt weiter teilnahmslos vor sich hin. “Uns geht es beschissen”, sagt er später ziemlich ehrlich ins ARD-Mikrofon. An ihm lag es jedenfalls nicht, dass Deutschlands Traum vom Gold bei der Heim-WM platzte. Und erst recht nicht am Publikum, das auch nach der deutlichen 25:31 (12:14)-Pleite feiert, singt und klatscht.

Rückblick: Schon vor dem Anwurf kann man in der Hamburger Arena kaum sein eigenes Wort verstehen. Die 12.500 Zuschauer wollen den gut 19.000 in Köln in Puncto Lautstärke in nichts nachstehen. Und da mit Uwe Gensheimer, Fabian Wiede und Hendrik Pekeler die drei ersten deutschen Werfer treffen, sitzt schon in der frühen Phase des Spiels kaum mehr jemand. Deutschland erwischt den besseren Start, führt mit 3:1 – auch weil Keeper Andreas Wolff von Beginn an starke Reflexe zeigt. Doch Norwegen antwortet, wie man es erwarten musste: Mit schnellen Tempogegenstößen und viel Vehemenz aus dem Rückraum – nach acht Minuten steht es plötzlich 3:4. Begünstigt wird dies auch von der erneuten Abschlussschwäche, die sich nach dem guten Start im deutschen Team breit macht.

Gensheimer übernimmt Verantwortung

In dieser Situation übernimmt der Top-Star Verantwortung: Uwe Gensheimer trifft vom Siebenmeterpunkt und von Außen, zeigt sich gegenüber dem Kroatien-Spiel verbessert und bringt Deutschland wieder mit 6:5 in Führung (15. Minute). Der Linksaußen ist mit geschätzten 500.000 Euro Jahresverdienst bei der Handball-Sparte von Paris Saint-Germain der Topverdiener im deutschen Team und so etwas wie die Seele dieser Mannschaft. Er steht zwar meist am Rand, ist aber dennoch präsent und Antreiber seiner Mitspieler. Trotz Sprunggelenken, die nach eigener Aussage “im Arsch” sind, segelt der 32-Jährige auch gegen Norwegen unwiderstehlich durch die Luft. Doch auch ihm gelingt es mit seinen zwischenzeitlichen Ausflügen an den Kreis kaum, die deutsche Offensive zu stabilisieren. Deutlich zu viele Versuche landen in den Händen des Gegners. Nach 22 Minuten führt Norwegen mit zwei Toren Vorsprung (11:9).

Das Publikum weiß, dass das in diesem Sport kein Beinbruch ist. Die Stimmung ist bestens, bis die Schiedsrichter binnen weniger Sekunden mit Gensheimer und Pekeler zwei deutsche mit Zeitstrafen belegen. Die Reaktion: ein gellendes Pfeifkonzert neben und wütende deutsche Angriffe auf dem Feld. Da auch Norwegen kurz darauf zwei Zeitstrafen erhält, kann Deutschland den Rückstand zur Halbzeit auf zwei Tore reduzieren (12:14).

Mangelnde Effizienz vor dem Tor

An der verdienten norwegischen Führung ändert sich auch nach dem Seitenwechsel zunächst nichts, da die Mannschaft von Trainer Christian Berge weiter souveräner, abgeklärter und effizienter spielt. Knapp 65 Prozent der norwegischen Angriffe sind erfolgreich, beim deutschen Team sind es nur 51 Prozent. Weder sitzen die Spielzüge, noch funktioniert das schnelle Spiel. Vor allem im Abschluss fehlt immer wieder die Präzision. Die Folge: Norwegen zieht sogar auf vier Tore Vorsprung davon (16:20, 38.). Das Team von Christian Prokop startet daraufhin angeführt von Gensheimer eine Aufholjagd, die jedoch immer wieder durch kleinliche bis zweifelhafte Schiedsrichterentscheidungen unterbrochen wird – und leider auch von eigenen Unkonzentriertheiten.

Dennoch keimt gut drei Minuten vor dem Ende noch einmal Hoffnung auf, als Fabian Wiede mit einem durch Torwart Silvio Heinevetter eingeleiteten Tempogegenstoß auf 25:27 verkürzt. Doch Norwegens Superstar Sander Sagosen antwortet trocken aus halblinker Position mit dem 28. Treffer für Norwegen – die Vorentscheidung. Mit einem Mal fällt die gesamte Spannung ab, das DHB-Team lässt sich hängen und kassiert noch drei weitere Treffer. Der Traum ist längst geplatzt. “Wir haben keine Lösungen hinten gefunden und haben dann die Verunsicherung mit in den Angriff genommen”, analysiert Prokop nach dem Spiel klar wie resigniert. “Mir hat etwas die Traute aus dem Rückraum gefehlt.” Seine Spieler versuchen im Anschluss gar nicht erst, die Niederlage schön zu reden. “Wir sind enttäuscht, dass wir nicht ins Finale gekommen sind. Norwegen war einfach immer einen Tick besser”, sagt Jannik Kohlbacher, der dennoch etwas Positives mitnimmt. “Danke an Handball-Deutschland. Sie haben uns in jedem Spiel unterstützt, es war faszinierend, ich habe jedes Mal Gänsehaut gekriegt.” Dieses Gefühl wollen die deutschen Handballer nun mitnehmen ins kleine Finale: Am Sonntag geht es in Herning gegen Frankreich um Bronze und um einen würdigen Schlusspunkt hinter gut zwei Wochen Handball-Euphorie in Deutschland. 

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