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Wenn im Tal des Todes das Quecksilber kocht

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Meteorologen stellen Temperaturrekorde in Aussicht. Die kommen aber dem, was anderswo schon gemessen wurde, nicht einmal nahe.

Extreme Hitze, extreme Gefahr. das Death Valley trägt seinen Namen nicht ganz grundlos.

Wofür reisen alles gut ist. Es kann sogar gegen Hitze helfen. Wer etwa, wie der Autor dieser Zeilen, schon einmal im Juni im Death Valley versucht hat, den am tiefsten gelegenen Punkt Nordamerikas zu Fuß zu erreichen, der oder die sieht die derzeitigen Hitzerekorde fast schon als kühle Brise.

Knapp 100 Grad am Boden

Denn dort ist es wirklich sehr, sehr heiß. Die höchsten jemals dokumentierten Temperaturwerte weltweit stammen aus jenem Nationalpark in den USA. Es waren 93,9 Grad Celsius direkt über dem Boden. Registriert am 15. Juli 1972 in Furnace Creek, wo das Besucherzentrum steht, gelten sie als relativ zuverlässig.


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Die 56,7 Grad „im Schatten“ von 1913, gemessen standardmäßig ohne direkte Sonneneinstrahlung 1,50 Meter über dem Boden, sind dagegen so umstritten wie die 58 Grad im libyschen Al-’Az’z’yah 1922 und die 66,8 Grad in den „Flammenden Bergen“ des chinesischen Tian-Shan-Gebirges 2008. Sie alle gelten derzeit deshalb nicht als offizielle Werte. Der 2013 gemessene Temperaturweltrekord liegt bei 54 Grad Celsius. Er stammt auch aus dem Death Valley.

Den gleichen Wert hat inzwischen das Thermometer am Flughafen von Ahwaz im Südwesten des Iran aufgezeichnet. Das war 2017. Nur ein Zehntelgrad darunter liegt eine Messung an der Wetterstation Mtibrah in Kuwait aus dem Jahr davor.
Würde ein gesunder Mensch dort vor Sonneneinstrahlung geschützt sitzen und genügend Trinkwasser zur Verfügung haben, er „könnte vielleicht sogar überleben“, sagt Hans-Christian Gunga, Experte für extreme menschliche Physiologie an der Charité.

Sicher weiß das aber niemand, denn man kann mit Menschen eben keine entsprechenden Experimente machen. Die Person müsste auch zusätzlich Mineralien im Wasser auflösen, damit nicht der Elektrolythaushalt kippt – was auch tödlich enden kann. Verlässliche Daten hinsichtlich des Flüssigkeitsverlustes, den man ausgleichen muss, gibt es aus der Zeit, als unweit des Death Valley der Hoover-Damm gebaut wurde, aber nur bis 43 Grad. Dabei verlor ein Mann sitzend im Schatten im Mittel 600 Milliliter Flüssigkeit pro Stunde.

Demgegenüber steht die maximal überhaupt mögliche effektive Flüssigkeitsaufnahme von nicht viel mehr als einem Liter während derselben Zeitspanne. Bei 54 Grad würde das wohl nicht mehr ausreichen, um die nötige Schweißmenge auszugleichen. Allerdings wäre ein Überleben über mehrere Stunden unter anderem deshalb zumindest denkbar, weil ein Mensch mit einem gewissen Grad der Austrockung fertig werden kann. Viel mehr als zehn Prozent der Körpermasse sollten es aber nicht sein. Dann drohen Krämpfe, Delirium und Tod.

Keine Hitzespitze auf der Zugspitze

Zur zwischenzeitlichen Abkühlung angesichts solcher Fakten hilft – genau: Wasser trinken oder drin baden, solange es kühl genug ist. Aber auch ein Blick in Gegenden, in denen es ohnehin nicht so heiß wird. 17,9 Grad etwa brachte ein Sommertag auf der Zugspitze 1957. An einer Forschungsstation in der Antarktis wurden immerhin, 1972 am 30. Januar, schon einmal 19,8 Grad gemessen. Der wärmste Tag am Südpol dagegen kam nicht über minus 12,3 Grad hinaus. Das war am ersten Weihnachtstag 2011.

Auf der nördlichsten Wetterstation der Welt dagegen, Cape Morris Jesup in Grönland, sind die Temperaturen 2018 sogar im Winter tagelang deutlich über Null gestiegen, mit einem maximum von 6,1 Grad. Ursache war ein Sturm mit warmen Luftmassen aus dem Süden, dessen Ursache Klimaforscher zumindest teilweise in den Folgen der globalen Klimaveränderungen sehen.

Der Sommerrekord an dieser Station steht bei 13 Grad Celsius an einem Julitag. Der Nordpol selbst liegt ja, wenn auch derzeit noch meist eisbedeckt, im Meer. Dort wurden – allerdings mit einem anderen Verfahren – maximal 1,6 Grad plus aufgezeichnet.

Bad “Hitzingen”

In Deutschland nördlich der Zugspitze liegt der absolute Höchstwert bei bislang 40,3 Grad, gemessen in Bad Kitzingen 2015. In Berlin wurden im gleichen Jahr 38,9 Grad dokumentiert – zum Glück in Wassernähe in Köpenick. Der Juni-Rekord für die deutsche Hauptstadt, registriert im Jahr 2000 in Tegel, steht bei 36,9 Grad. Sie alle könnten dieser Tage fallen.

Das kommt alles den 54 Grad im Death Valley noch nicht einmal nah. Aber auch in Gegenden, die nicht schon nach dem Tode benannt sind, können die derzeitigen Temperaturen lebensgefährlich werden (siehe Interview oben). Auch für die vielerorts bereits trockenen Böden sind sie keine Hilfe. Tieren bis hin zu den sprichwörtlichen Fischen im Wasser schaden sie ebenso.

An seine Wanderung im Todestal kann sich der Autor nur noch lückenhaft erinnern: Er hat ihn nicht gefunden, den tiefsten Punkt, hatte den Rucksack voll mit vier Litern Wasser, die, als er nach 45 Minuten umkehrte, fast alle waren. Irgendwie erreichte er das Auto. Das Thermometer in Furnace Creek, so stellte sich später heraus, zeigte an jenem Tag immerhin 51 Grad.

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