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Ermittlungen gegen Neonazis aus dem Rhein-Main-Gebiet

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Am 1. Mai 2017 warfen Mitglieder der Neonazi-Kameradschaft „Aryans“ in Halle Steine auf Passanten und schlugen auf sie ein. Zwei von ihnen aus Hessen stehen unter anderem deswegen nun vor Gericht.

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WIESBADEN – Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen fünf Mitglieder der Neonazi-Kameradschaft „Aryans“, die einen Schwerpunkt im Rhein-Main-Gebiet hat. Ihnen wird Bildung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Die Bundesanwaltschaft hat deshalb im September in Aschaffenburg, Darmstadt und an verschiedenen weiteren Orten in Hessen durchsuchen lassen.

Die Truppe tritt bundesweit als „Schutzstaffel“ bei Demonstrationen Rechtsextremer in Erscheinung. Bei einem solchen Einsatz hatten „Aryans“ am 1. Mai 2017 in Halle auf Passanten und Wanderer eingeschlagen. An den Ausschreitungen waren auch Fabian R. aus dem Raum Frankfurt, Andrew K. aus Offenbach, Emanuel B. aus Aschaffenburg, Thomas S. aus dem unterfränkischen Bessenbach sowie Dario C. aus Wittlich in der Pfalz beteiligt. In einem anderen Verfahren war bekannt geworden, dass ein weiterer „Aryan“ damit gedroht hatte, die Limburger Moschee mit einem Molotowcocktail „flach“ zu machen. Mit Andreas V. aus dem Raum Mainz gehört ein Fan von Eintracht Frankfurt zu den Anhängern der Gruppe.

Wegen der Vorfälle in Halle müssen sich zwei Mitglieder der Kameradschaft vor Gericht verantworten: Carsten M. aus Linsengericht (Main-Kinzig-Kreis) sowie Martina H. aus Ober-Ramstadt bei Darmstadt. Sie war, wie berichtet, noch weit vor den Ausschreitungen in Halle von einem Polizisten, der damals in Darmstadt gearbeitet hatte, mit internen Informationen versorgt worden.

Ermittler nahmen Messer, Pistolen und Armbrust mit

Die Polizisten, die am 17. Mai 2017 in Linsengericht vor der Tür von Carsten M. standen, kannten kein Pardon: Sie legten dem Neonazi umgehend Handschellen an. Er musste – unbekleidet – von seinem Sofa zusehen, wie die Ermittler aus Hessen und Sachsen-Anhalt Wurfmesser, Stilettos, zwei Pistolen, eine Armbrust sowie NS-Devotionalien beschlagnahmten. Vor allem aber nahmen sie fünf Mobiltelefone mit. Nur eines davon soll ihm gehört haben. Mindestens ein weiteres wird Martina H. aus Ober-Ramstadt zugeordnet, die sich ebenfalls in der Wohnung aufhielt, als dort die Polizei durchsuchte.

Carsten M. gilt als einer der führenden Köpfe der „Aryans“, gegen die die Bundesanwaltschaft ermittelt, weil die Neonazi-Kameradschaft in Verdacht geraten ist, eine terroristische Vereinigung zu sein. Schon in der Vergangenheit war der 40-Jährige immer wieder ins Visier des Staatsschutzes geraten. Ende der 90er-Jahre soll er dem zur Jahrtausendwende verbotenen, rechtsextremen Netzwerk „Blood and Honour“ angehört haben. Kurz darauf war er, weit weniger spektakulär, mit der „Kameradschaft Linsengericht“ in Verbindung gebracht worden.

Und als das Bundeskriminalamt nach Auffliegen des NSU-Trios alle mutmaßlich rechtsextremen Fälle neu aufrollte, kam abermals der Name Carsten M. ins Spiel. Er galt 2013 als verdächtig, den Schuss abgegeben zu haben, mit dem am 3.Februar 2000 in Linsengericht-Eidengesäß ein uniformierter Polizist an der Hüfte verletzt worden war. Doch weder die Vernehmung durch die Polizeidirektion Main-Kinzig, noch die Überwachung des Telefons von Carsten M. brachten den Ermittlern neue Erkenntnisse. Das Verfahren wurde eingestellt mangels hinreichenden Tatverdachts.

Im Mai 2017 Passanten mit Steinen beworfen

Carsten M. war es auch, der am 1. Mai 2017 in Halle Steine auf Passanten geworfen und einen Mann mit einem Starkstromkabel geschlagen hatte, als er und seine „Aryans“ wieder einmal als „Schutzstaffel“ einer rechtsextremen Demonstration im Einsatz waren. Er und seine Kameraden hatten „völlig wahllos und mit nicht unerheblicher Brutalität unbeteiligte Passanten attackiert“, wie es in einer Mitteilung des Landgerichts Halle heißt. Bekleidet waren sie mit einem T-Shirt, auf dessen Vorderseite der Schriftzug „Aryans“, prangte. Auf der Rückseite war „Support your Race“ zu lesen: Derartige Hemden in allen Größen – sogar für Kleinkinder – waren ebenfalls bei der Durchsuchung in seiner Wohnung am 17. Mai 2017 beschlagnahmt worden.
Carsten M. und Martina H. wird derzeit vor dem Landgericht Halle der Prozess gemacht. Beiden wird lediglich gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Landfriedensbruch nicht. Das gehört zu den kleineren Ungereimtheiten in diesem Verfahren.

Für Erstaunen sorgte auch, dass die Staatsanwaltschaft zunächst vor dem Amtsgericht Anklage erhoben hatte, mit der Begründung, die von den Angeklagten gezeigte Aggressivität gehe nicht über das hinaus, „was bedauerlicherweise im Umfeld sogenannter politischer Veranstaltungen inzwischen üblich ist“.

Polizist hatte Martina H. mit Informationen versorgt

In den Ermittlungen gegen die beiden war auch jenes in Linsengericht beschlagnahmte Handy ausgelesen worden. Gefunden wurden Chatprotokolle vom Januar und Februar 2016: Ein Polizist, der damals noch in Darmstadt gearbeitet hatte, hatte Martina H. mit Informationen aus Polizei-Datenbanken versorgt – angeblich, um sie vor einer rechtsextremistischen Person zu warnen. Wovor ist Prozessbeobachtern in Halle unklar. Denn Martina H. soll sich schon seit 2014 in der Neonazi-Szene getummelt haben. In öffentlich einsehbaren Facebook-Gruppe habe sie aus ihrer Gesinnung keinen Hehl gemacht, heißt es.

Rätselhaft aber bleibt vor allem, warum die Staatsanwaltschaft Halle nur dieses eine von insgesamt fünf Handys, die bei Carsten M. beschlagnahmt wurden, auswerten ließ. Als sich die ermittelnden Polizisten auch die vier nächsten Mobiltelefone vornehmen wollten, soll das die Staatsanwaltschaft mit dem Hinweis abgelehnt haben: „Wir haben schon alles, was wir brauchen“.

Gegen den Polizisten, der mit Martina H. gechattet hatte, wurde im September 2017 ein Verfahren wegen Geheimnisverrates eingeleitet. Die Polizei hat die Akten im März 2018 an die Staatsanwaltschaft Darmstadt abgegeben. Jetzt endlich gibt es eine Abschlussverfügung: Ob Anklage, Einstellung oder Strafbefehl bleibt vorerst Geheimnis der Justiz.

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