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May kämpft um ihr Amt – offenbar mit guten Chancen

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London (dpa) – Die britische Premierministerin Theresa May darf sich gute Chancen bei der Misstrauensabstimmung um ihr Amt als Chefin der konservativen Regierungspartei ausrechnen. Sie musste am Abend 158 der 317 Tory-Abgeordneten für sich gewinnen.
Britischen Medien zufolge hatten bereits am Nachmittag mehr als die Hälfte der konservativen Parlamentarier May ihre Unterstützung zugesagt.
Sollte May die Abstimmung wider Erwarten verlieren, wäre auch ihr Posten als Premierministerin nicht mehr zu halten. Britische Medien spekulierten über mögliche Nachfolger, darunter Ex-Brexit-Minister Dominic Raab und der frühere Außenminister Boris Johnson.
Ein Führungswechsel ändere nichts an den Grundsätzen der Brexit-Verhandlungen und den schwierigen Mehrheitsverhältnissen im Parlament, sagte May. Die Wahl eines neuen Parteichefs würde «die Zukunft des Landes aufs Spiel setzen und Unsicherheit schaffen». Zudem könnte der EU-Austritt verzögert oder ganz verhindert werden.
Die Abstimmung war zwischen 19 und 21 Uhr MEZ im Parlament geplant. Noch am späten Abend soll das Ergebnis veröffentlicht werden.
Hinter dem Misstrauensantrag stehen hauptsächlich Brexit-Hardliner in Mays Fraktion um den erzkonservativen Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg. «Das Land braucht einen neuen Anführer», twitterte er. Rees-Mogg hatte May schon kurz nach der Veröffentlichung des Brexit-Abkommens sein Misstrauen ausgesprochen. Ein erster Versuch, die für eine Abstimmung notwendigen 48 Misstrauensbriefe zusammenzubekommen, war gescheitert. Rees-Mogg führt eine Gruppe von rund 80 Abgeordneten an.
Die Premierministerin schließt ausdrücklich eine Parlamentsneuwahl weiter aus. Eine solche Wahl sei «zu diesem Zeitpunkt» nicht im nationalen Interesse, sagte sie bei einer Fragestunde im Unterhaus. Regierungskreisen zufolge stellte sie aber intern ihren Rücktritt vor der nächsten regulären Parlamentswahl 2022 in Aussicht.
Die Europäische Union will im Brexit-Streit May am Donnerstag anhören und mit einer schriftlichen Erklärung reagieren. Dies teilte Ratschef Donald Tusk in seinem Einladungsschreiben für den EU-Gipfel mit. Er bezeichnete die Situation in Großbritannien als ernst. «Da die Zeit davonrennt, werden wir
auch den Stand der Vorbereitung für ein No-Deal-Szenario diskutieren», schrieb Tusk.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geht auch nach Mays Werbetour durch Europa nicht davon aus, dass der EU-Gipfel Änderungen am Abkommen beschließen wird. «Wir haben
nicht die Absicht, das Austrittsabkommen wieder zu verändern. Das ist die allgemeine Position der 27 Mitgliedsstaaten», sagte Merkel im Bundestag.

Eine Misstrauensabstimmung kann nur einmal in zwölf Monaten stattfinden.
Sollte May als Siegerin hervorgehen, wäre ihre Position zunächst gefestigt. Dennoch wird ihre Situation schwieriger. Die Wahrscheinlichkeit, dass May die zerstrittene Fraktion danach wieder hinter sich vereinen kann, gilt als verschwindend gering.

Ein weiteres Problem ist, dass May mit ihrer Minderheitsregierung auf die Stimmen der nordirischen DUP angewiesen ist. Die DUP lehnt aber das mit Brüssel vereinbarte Abkommen vehement ab. Vor allem die als Backstop bezeichnete Garantie, dass keine Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland stattfinden sollen, stößt auf heftigen Widerstand. Der Backstop müsse aus dem Abkommen entfernt werden, sagte DUP-Chefin Arlene Foster.
Sollte May die Misstrauensabstimmung verlieren, müsste der Parteivorsitz rasch neu besetzt werden. Das geschieht in einem separaten Auswahlverfahren, an dem May nicht mehr teilnehmen dürfte. Einigt sich die Fraktion auf einen Kandidaten, kann das innerhalb von Tagen geschehen. Gibt es mehrere Bewerber, wird solange gewählt, bis nur noch zwei Kandidaten übrig sind. Sie müssten sich einer Urwahl unter der Parteimitgliedern stellen. Diese Prozedur dauert Wochen.
Sollte es zu der Urwahl kommen, gilt es als ausgemacht,
dass derjenige gewinnt, der den härteren Brexit-Kurs vertritt. Die konservative Parteibasis gilt als überwiegend EU-skeptisch. Die Fraktion gilt dagegen als überwiegend EU-freundlich.

Fraglich ist, ob der Posten rechtzeitig neu besetzt werden könnte, um den EU-Austritt wie geplant am 29. März zu vollziehen. Spekuliert wird, Großbritannien
könnte eine Verlängerung der Frist beantragen.

May hatte eine für Dienstag angesetzte Abstimmung über ihren Brexit-Deal auf Eis gelegt, weil sie auf eine sichere Niederlage zusteuerte. Das brachte nun das Fass zum Überlaufen.
Besorgt reagierten Politiker außerhalb Großbritanniens auf die Situation. Scharfe Kritik an der Misstrauensabstimmung kam vom CSU-Europapolitiker Markus Ferber. «Dass die Verantwortlichen in Westminster mitten in der entscheidenden Verhandlungsphase die Premierministerin stürzen wollen, ist an Absurdität nicht zu überbieten», erklärte der Europaabgeordnete.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte mit Blick auf ein mögliches Scheitern des Deals: «Wenn es wirklich schief geht, kann das schlimmer sein als das Ende von Lehman Brothers in den USA.» Die Pleite der US-Bank Lehman Brothers hatte 2008 das Weltfinanzsystem erschüttert. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warnte ebenfalls vor erheblichen negativen Auswirkungen für die Wirtschaft.
Seit der Brexit-Debatte ist die Zahl der britischen Staatsbürger, die Deutsche werden wollen, sprunghaft gestiegen. Allein in Berlin ließen sich im vergangenen Jahr 558 Briten einbürgern – 2016 waren es 178 Personen, 2015 nur 45. «Während Theresa May durch Europa reist, um den Brexit klar zu machen, lassen sich immer mehr Menschen aus dem Vereinigten Königreich einbürgern. Die Menschen vertrauen doch nicht so ganz auf die Politik», sagte Referatsleiter Holger Leerhoff vom Statistischen Landesamt Berlin-Brandenburg in Berlin.

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