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Hessen fördert „ländlichen Raum“, weiß das sein soll, ist allerdings umstritten. Das hat jetzt eine Prüfung des Landesrechnungshofes ergeben.

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WIESBADEN – Hessen fördert den „ländlichen Raum“. Nur: Was das sein soll, weiß die schwarz-grüne Landesregierung offenkundig nicht so genau. Sie zählt Fulda und sein Umland dazu. Nicht aber das im Nordwesten des Rheingau-Taunus gelegene Heidenrod. In der Bischofsstadt leben 653 Einwohner pro Quadratkilometer. In Heidenrod sind es 82. Gleichwohl wird Fulda und sein Umland als „ländlicher Raum“ finanziell gefördert. Heidenrod nicht. Diese Skurrilität hat jetzt der Landesrechnungshof herausgefunden.

Dabei könnte Heidenrod Förder-Gelder gut gebrauchen. Auf jedem der 8500 Einwohner lasten 4139 Euro kommunale Schulden. Da wären die 40 Euro pro Einwohner und Jahr, mit denen Kommunen im „ländlichen Raum“ gefördert werden, zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Unter dem Strich kämen aber immerhin 340 000 Euro zusammen. Und Bürgermeister Volker Diefenbach (SPD) hat schon eine Idee, wofür das Geld wäre. Er würde etwa die Wassergebühren senken, die in seiner Gemeinde die dritthöchsten in ganz Hessen sind.

Wasserversorgung auf dem Land deutlich teurer

Der Rechnungshof hat auch hier genauer hingeschaut. In zersiedelten Kommunen wie Heidenrod, wo ein weitverzweigtes Ver- und Entsorgungsnetz zu unterhalten ist, zahlt eine Modellfamilie (zwei Erwachsene, zwei Kinder) für Wasser und Abwasser im Durchschnitt 435 Euro mehr als eine vergleichbare Familie, die in einer eher zentrierten Kommune lebt.

Doch das Leben auf dem Land ist auch noch aus anderen Gründen teuer: Heidenrod mit seinen 19 Ortsteilen unterhält 18 Dorfgemeinschaftshäuser, 16 Friedhöfe, vier Kindertagesstätten, zwei Grundschulen, vier Sportplätze, zwölf Feuerwehrstandorte und 100 Kilometer Gemeindestraßen. Das kostet.

Bei seiner Prüfung hat Ulrich Keilmann vom Landesrechnungshof sortiert, welche hessischen Kommunen „zentriert“, und welche „zersiedelt“ sind, und deshalb als „ländlicher Raum“ gelten können. Gemessen hat er dazu den Grad der Streuung der Siedlung, den Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Gesamtfläche der Gemeinde und schließlich die „Ausnutzungsdichte“. Gemeint ist: wie intensiv die Siedlungsfläche einer Gemeinde genutzt wird.

Das überraschende Ergebnis: 68 Gemeinden in Hessen, die nach diesem Raster als „ländlicher Raum“ zu definieren sind, werden – wie Heidenrod – nicht gefördert. 20 Kommunen erhielten wiederum eine Förderung, obwohl sie ihren Strukturen nach nicht als „ländlicher Raum“ einzuordnen sind.

Der Rechnungshof mahnt nunmehr von der Landesregierung eine genau Definition dessen an, was „ländlicher Raum“ sein soll. Keilmann hat schon einen Vorschlag: „Das Land sollte künftig auf den von uns entwickelten Siedlungsindex zurückgreifen“.

Zuständig für das Förderprogramm „Ländlicher Raum“ ist das hessische Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft. Das Programm sei nach den Kriterien Einwohnerdichte und Anteil land- und forstwirtschaftlicher Flächen festgelegt worden, so eine Ministeriumssprecherin. Erst für die nächste Förderperiode ab 2020 gebe es die Möglichkeit auch andere, wie etwa die vom Rechnungshof angeregten Kriterien zu prüfen.

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