Wissen und Technik

Experten finden weitere Plagiate in Giffeys Doktorarbeit

0

VroniPlag Wiki will die Recherchen zur Dissertation von Familienministerin Giffey veröffentlichen. Die Plagiatsplattform beanstandet 119 Textstellen.

Franziska Giffey, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Die Plagiatsprüfer von VroniPlag Wiki haben seit dem Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe gegen die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey 46 weitere Belege für wissenschaftliches Fehlverhalten gefunden. Das geht aus dem aktuellen Stand auf der Homepage der Plagiatsdokumentation hervor.

Zudem hat VroniPlag Wiki angekündigt, das Urteil über Franziska Giffeys Doktorarbeit demnächst offiziell online stellen zu wollen. Die „kritische Auseinandersetzung“ mit der Dissertation der Bundesfamilienministerin sei weitestgehend abgeschlossen und werde unter Giffeys Klarnamen ins Netz gestellt, hieß es. Bislang ist die laufende Dokumentation der Plagiatsvorwürfe nur unter dem Kürzel dcl einsehbar.

Die bei VroniPlag Wiki engagierten Expertinnen und Experten werfen Giffey massives „wissenschaftliches Fehlverhalten“ vor. Plausibel sei „der Verdacht einer bewusst irreführenden, wider besseren Wissens erfolgten Angabe unzutreffender Quellen“. Damit legt die Plagiatsplattform nahe, dass Giffey der Doktorgrad aberkannt werden muss.

Öffentlich wurde der Verdacht, Giffey könnte in ihrer 2010 an der Freien Universität Berlin eingereichten Arbeit über “Europas Weg zum Bürger – Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft” unsauber zitiert und abgeschrieben haben, im Februar dieses Jahres. Ein Plagiatsprüfer mit dem Pseudonym „Robert Schmidt“ hatte die Recherche angeschoben und – wie in der Gruppe üblich – die Fundstellen unter seinen Mitstreitern zur Diskussion gestellt. Die Plattform verfährt nach dem Vier-Augen-Prinzip, nach dem eine beanstandete Stelle immer von einer zweiten Person verifiziert werden muss. Dieser Prozess ist jetzt abgeschlossen.

Plagiate auf 37 Prozent der Seiten

Aktuell beanstandet VroniPlag Wiki 119 Fragmente auf 76 von 205 untersuchten Seiten – und damit einen Plagiatsanteil von 37,1 Prozent der Seiten. Elf Seiten enthalten der Dokumentation zufolge 50 bis 75 Prozent Plagiatstext, eine Seite mehr als 75 Prozent. Weil die Fragmente mehrheitlich kurz sind, liegt der Plagiatsanteil des Textes im Hauptteil der Arbeit insgesamt bei sechs Prozent.

Im Laufe der Plagiatsprüfung durch VroniPlag Wiki hat sich das Bild für Giffey verdüstert. Bei Bekanntwerden der Dokumentation im Februar wurden 49 von 205 Seiten beanstandet und insgesamt 73 Fragmente, „die als Plagiat eingestuft werden“. Anfang April waren es dann – wie der Tagesspiegel dokumentierte – 96 Stellen auf 62 Seiten – damit galten 30,2 Prozent als betroffen.

Giffey selber hat bislang erklärt, ihre Doktorarbeit „in bestem Wissen und Gewissen“ verfasst zu haben und die offizielle Überprüfung durch die Freie Universität Berlin abwarten zu wollen.

Veröffentlicht werden „nur schwere Plagiatsfälle“

Was bedeutet die offizielle Veröffentlichung bei VroniPlag Wiki unter Giffeys Namen? „Veröffentlicht werden nur schwere Plagiatsfälle, bei denen man sich ziemlich sicher sein kann, dass eine Entscheidung der Universität, den Doktorgrad abzuerkennen, vom Verwaltungsgericht gehalten würde“, sagte Gerhard Dannemann, Mitarbeiter bei VroniPlag Wiki und Jura-Professor an der Humboldt-Universität, dem Tagesspiegel.

Was werfen die Plagiatsprüfer von VroniPlag Wiki Giffey im Einzelnen vor? Das häufigste Muster sind „willkürliche Referenzierungen“: In 72 Fällen gibt Giffey Quellen an, die gar nicht zum Text passen. Beispielsweise nennt sie bei der Definition des Begriffs „Zivilgesellschaft“ als Quelle drei verschiedene Veröffentlichungen von drei unterschiedlichen Autoren. Dabei verschweigt sie, dass sie ihre Definition nicht eigenständig aus diesem Material abgeleitet hat. Die stammt vielmehr aus einem vierten, an dieser Stelle nicht genannten Werk, in dem die von Giffey genannten Quellen zitiert werden. Daneben finden sich laut VroniPlag 66 „Bauernopfer“, bei denen nach einem Absatz eine Quellenangabe gemacht, aber weiter daraus abgeschrieben wird, ohne dies zu kennzeichnen. 48 Stellen werden als „Komplettplagiate“ oder „Verschleierungen“ angesehen, wo die Quelle gar nicht genannt wird.

„Jedem passieren Fehler“, bilanziert Dannemann. „Aber in dieser Häufung ist das viel zu viel.“ Den Verwaltungsgerichten genügten erfahrungsgemäß bereits „ein paar Seiten Plagiate in der Darstellung des Forschungsstands“, um den Entzug von Doktorgraden zu bestätigen.

Die Freie Universität prüft noch

Wann die im Februar eingeleitete offizielle Untersuchung von Giffeys Arbeit am politikwissenschaftlichen Institut der FU abgeschlossen wird, ist unklar. Dort hat die damalige Europabeauftragte des Bezirks Neukölln unter der Anleitung der Politologin Tanja Börzel am Otto-Suhr-Institut (OSI) promoviert. Die FU hat mehrfach erklärt, eine Einschätzung zur Länge des Verfahrens sei nicht möglich. Bei dem früheren Berliner CDU-Politiker Frank Steffel dauerte es 14 Monate, bis die FU ihm wegen Plagiierens den Doktorgrad aberkannte.

David Wagner: Vom Huddersfield- zum Schalke-Held?

Previous article

Mit einem Farbstoff zu Blutgefäßen und Lungengewebe

Next article

You may also like

Comments

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert