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Nach Zusammenstößen: Lage in Hongkong bleibt angespannt

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Am Morgen danach: Heftiger Regen fällt in Hongkong. Der Regierungssitz und eine U-Bahnstation bleiben geschlossen. Nur wenige Demonstranten harren aus. Gerüchte gehen um. Wie geht es weiter?

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Hongkong (dpa) – Einen Tag nach den schwersten Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten in Hongkong seit fünf Jahren war die Lage am Morgen angespannt, aber ruhig. Die Büros im Regierungskomplex und die nächstgelegene U-Bahnstation Admiralty blieben geschlossen.

Nur eine Handvoll Demonstranten verharrte auf den Straßen, während heftige Regenfälle niedergingen. Vor dem benachbarten Legislativrat, den Aktivisten am Vortag stürmen wollten, war der Boden übersät mit Müll und Resten von den Ausschreitungen.

Die Zahl der Verletzten stieg nach neuen Angaben auf 79. Einige wurden schwer verletzt. Wie viele Demonstranten festgenommen wurden, war noch nicht bekannt. Tausende Demonstranten hatten das Areal und umliegende Straßenzüge am Vortag belagert, um gegen ein geplantes Gesetz für Auslieferungen an China zu protestieren. Die Polizei ging schließlich mit Tränengas, Schlagstöcken, Wasserwerfern und Pfefferspray vor, um die Demonstranten zu vertreiben.

Durch die Belagerung des Legislativrates musste die geplante Debatte des Gesetzes auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben werden. Für neue Unruhe sorgte zunächst ein Bericht der Zeitung «Apple Daily», dass die Debatte schon am Donnerstagvormittag nachgeholt werden könnte. Der Legislativrat hatte aber keine Sitzung für Donnerstag angesetzt. Die Gegner des Gesetzes riefen zu weiteren Protesten auf.

Trotz des massiven Widerstands unter den sieben Millionen Hongkongern will Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam das Gesetz schnell von der Peking-treuen Mehrheit im Legislativrat absegnen lassen. Ob die letzte Abstimmung wie bisher geplant am Donnerstag nächster Woche in dritter Lesung stattfinden kann, muss sich zeigen. Dafür müsste zunächst die verschobene zweite Lesung nachgeholt werden.

Das Gesetz würde Hongkongs Behörden erlauben, von Chinas Justiz verdächtigte Personen an die Volksrepublik auszuliefern. Kritiker warnen, dass Chinas Gerichte nicht unabhängig seien und der Staatssicherheit sowie der kommunistischen Führung folgten. Sie seien ein Werkzeug für politische Verfolgung. Inhaftierten drohten Folter und Misshandlungen. Es gebe eine Verurteilungsrate von 99 Prozent.

Die Gegner äußern den Verdacht, dass die Hongkonger mit dem Gesetz eingeschüchtert werden sollen. Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997 an China nach dem Grundsatz «ein Land, zwei Systeme» als eigenes Territorium autonom regiert. Die Einwohner der heutigen chinesischen Sonderverwaltungsregion genießen das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie Presse- und Versammlungsfreiheit – anders als die Menschen in der Volksrepublik.

Als Reaktion auf die Demokratiebewegung 2014, die Teile der asiatischen Wirtschafts- und Finanzmetropole wochenlang lahmgelegt hatte, zieht die Führung in Peking die Zügel aber enger. Seit damals hat Hongkong nicht mehr solche Demonstrationen und Ausschreitungen gesehen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warf der Polizei «exzessive Gewalt» vor.

Am Sonntag hatten sogar – nach unterschiedlichen Schätzungen – zwischen Hunderttausenden und einer Million Menschen gegen das Gesetz demonstriert. Die friedliche Kundgebung war nach Angaben von Beobachtern die größte seit dem Protest vor drei Jahrzehnten gegen die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung in Peking am 4. Juni 1989. Im Anschluss war es aber auch zu Ausschreitungen gekommen.

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