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Rüstungsgüter für 400 Millionen Euro an Jemen-Kriegsallianz

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Rüstungslieferungen an die von Saudi-Arabien geführte Kriegsallianz im Jemen wollte die SPD eigentlich ganz stoppen. Der Koalitionsvertrag mit der Union ließ aber Hintertüren offen. Die wurden auch ausgiebig genutzt. Nun tobt ein Richtungsstreit.

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Berlin (dpa) – Die Bundesregierung hat in ihrem ersten Amtsjahr Rüstungslieferungen im Wert von rund 400 Millionen Euro an die von Saudi-Arabien geführte Jemen-Kriegsallianz genehmigt.

Trotz eines von Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbarten teilweisen Exportstopps wurden in den ersten zwölf Monaten nach der Vereidigung des Kabinetts am 14. März 2018 insgesamt 208 Einzelgenehmigungen für die acht beteiligten Länder erteilt. Das geht aus einer Antwort auf eine Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Omid Nouripour hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Hauptempfänger waren die beiden Länder, die am aktivsten in den Jemen-Krieg eingegriffen haben: Nach Saudi-Arabien wurden zehn Lieferungen mit einem Gesamtwert von 255 Millionen Euro genehmigt und in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) 68 Exporte für 57 Millionen Euro. Für Saudi-Arabien gilt erst seit Mitte November ein kompletter Exportstopp, der nach der Tötung des saudischen Regierungskritikers Jamal Khashoggi verhängt wurde. Die Koalition will bis Sonntag entscheiden, ob er verlängert wird.

Eine Lösung war in dem erbitterten Streit zwischen Union und SPD aber auch am Donnerstag nicht in Sicht. Ausgangspunkt für diesen Streit ist der Jemen-Krieg. Saudi-Arabien hatte 2015 eine Allianz überwiegend arabischer Länder geformt, um die jemenitische Regierung in ihrem Kampf gegen die vom Iran geförderten schiitischen Huthi-Rebellen zu unterstützen. Der Krieg hat in dem bitterarmen Land auf der arabischen Halbinsel die derzeit größte humanitäre Krise weltweit ausgelöst.

Die SPD drang vor diesem Hintergrund in den Koalitionsverhandlungen auf einen Exportstopp für die an dem Krieg beteiligten Länder. Die Union willigte nur in eine deutlich abgeschwächte Formulierung ein. Rüstungslieferungen in «unmittelbar» beteiligte Länder wurden untersagt, bereits genehmigte Geschäfte wurden davon ausgenommen.

Als am stärksten beteiligt gelten Saudi-Arabien und die VAE, auch wenn es keine offiziellen Angaben über den Umfang ihrer Militäraktionen gibt. Saudi-Arabien setzt nach arabischen Medienberichten etwa 100 Kampfjets für Bombardements im Jemen ein. Die VAE haben vor allem im Süden des Landes um die Hafenstadt Aden Soldaten stationiert. Die für diese beiden Länder erteilten Genehmigungen im ersten Regierungsjahr machen zusammen drei Viertel des Gesamtvolumens von 398 Millionen Euro für die Kriegsallianz aus.

Aber auch für andere Mitglieder der Kriegsallianz wurden Lieferungen in Millionenhöhe genehmigt: Kuwait (65 Genehmigungen mit dem Gesamtwert 47,7 Millionen Euro), Bahrain (9 Genehmigungen/16,2 Millionen Euro), Ägypten (35 Genehmigungen/11,8 Millionen Euro) und Jordanien (19 Genehmigungen/11,3 Millionen Euro). Selbst für den Senegal ließ die Bundesregierung zwei Exporte mit einem Wert von rund 55.000 Euro zu. Nur für den Jemen selbst wurden keine Exportgenehmigungen erteilt. Marokko verließ die Kriegskoalition im Februar.

Grüne und Linke forderten einen kompletten Exportstopp für die Länder der Jemen-Allianz. «Die Bundesregierung muss endlich zu ihrer Verantwortung stehen und Rüstungsexporten in Krisengebiete einen Riegel vorschieben», sagte die Grünen-Politikerin Katja Keul. Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Linksfraktionschefin Sevim Dagdelen: «Das Waffenembargo muss auf alle am Jemen-Krieg beteiligten Staaten ausgeweitet werden, will sich die Bundesregierung nicht mitschuldig machen an den furchtbaren Kriegsverbrechen.»

Nach einem gescheiterten Einigungsversuch im Bundessicherheitsrat wollten Union und SPD am Donnerstag weiter versuchen, zu einer Annäherung zu kommen. Bewegung war aber nicht erkennbar. Der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner wandte sich gegen jegliche Aufweichung der bestehenden Regelung. «Wenn Sie sagen “Keine Waffenexporte in Krisengebiete und Diktaturen”, dann heißt das keine. Und nicht: ein bisschen», sagte Stegner im ZDF-«Morgenmagazin». Exporte nach Saudi-Arabien seien nicht im europäischen Interesse.

Der stellvertretende CSU-Generalsekretär Florian Hahn hielt dagegen. «SPD-Vize Stegner gefährdet mit seinen Äußerungen Deutschlands Bündnisfähigkeit», sagte er. «Ein unilateraler Stopp von Rüstungsexporten ist außen- und sicherheitspolitisch unverantwortlich. Die SPD-Blockadepolitik isoliert Deutschland in Europa.» Frankreich und Großbritannien sind verärgert, weil auch europäische Gemeinschaftsprojekte betroffen sind.

Auf nationaler Ebene könnte es zumindest für ein Einzelprojekt eine Lösung geben. Für den Fall, dass der Exportstopp bestehen bleibt, könnten sechs für Saudi-Arabien bestimmte Patrouillenboote und ein Ausbildungsschiff im Wert von zusammen etwa 165 Millionen Euro der Lürssen-Werft im mecklenburg-vorpommerschen Wolgast von Marine, Zoll und Bundespolizei übernommen werden. Entsprechende Überlegungen bestätigte Stegner. Die Wolgaster Werft hat 300 Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze zum Teil an dem Auftrag von Saudi-Arabien hängen.

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