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Von Caracas nach Berlin: Botschafter ungeplant in die Heimat

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Wegen Parteinahme im venezolanischen Machtkampf wirft die Regierung Deutschlands Top-Diplomaten aus dem Land. Die Bundesregierung will von ihrer Haltung aber nicht abrücken. Allerdings schwinden damit die Chancen, dass Berlin bei der Lösung der Krise aktiv mitmischen kann.

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Caracas/Berlin (dpa) – Das Tischtuch zwischen Deutschland und Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro ist zerrissen. Die Regierung in Caracas hat das große diplomatische Besteck herausgeholt und den deutschen Botschafter des Landes verwiesen.

Doch Berlin will sich von der Drohgebärde nicht einschüchtern lassen und hält an der Unterstützung für den selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó fest. «Diese Unterstützung ist unumstößlich und dabei wird es auch bleiben», sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Donnerstag. Offen ließ er, ob Berlin Gegenmaßnahmen ergreifen und etwa seinerseits den venezolanischen Botschafter nach Hause schicken wird.

Auch Venezuelas amtierender Präsident Maduro gab sich entschlossen. «Angesichts der imperialistischen Aggressionen sage ich immer wieder: Nerven aus Stahl, Ruhe, Vernunft, Bewusstsein und ständige Bereitschaft», schrieb er am Donnerstag auf Twitter. «Wir werden weiterhin siegen.»

Botschafter Daniel Kriener war in Venezuela zur unerwünschten Person erklärt worden und muss jetzt seine Sachen packen. Am Samstag wird er in Deutschland zurückerwartet. Dann werde man mit ihm die Situation auch nochmals besprechen, sagte Maas. Der Botschafter habe in Venezuela «ganz hervorragende Arbeit geleistet».

Die venezolanische Regierung wirft dem Top-Diplomaten dagegen vor, seine Kompetenzen überschritten und sich in die inneren Angelegenheiten des südamerikanischen Landes eingemischt zu haben. Dort tobt seit Wochen ein erbitterter Machtkampf zwischen Maduro und der Opposition um Guaidó.

«Venezuela erwartet, dass die Europäische Union wieder zur Ausgewogenheit findet und ihre Haltung der ständigen Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten überdenkt», schrieb Venezuelas Außenminister Jorge Arreaza am Donnerstag auf Twitter.

Kriener hatte am Montag gemeinsam mit anderen Diplomaten aus Europa, Lateinamerika und den USA den
selbst ernannten Interimspräsidenten am Hauptstadtflughafen Maiquetía erwartet. Damit wollten sie offenbar verhindern, dass Guaidó bei seiner Rückkehr festgenommen wird. Der Oppositionsführer hatte trotz eines laufenden Ermittlungsverfahrens und einer Ausreisesperre das Land verlassen.

Maas machte deutlich, dass Kriener bei dieser Aktion seine volle Rückendeckung hatte: «Das war nicht nur mit mir abgesprochen, sondern es war mein Wunsch und auch meine Bitte.» Er habe sich bei dem Botschafter später telefonisch persönlich für seinen Einsatz bedankt.

«Venezuela sieht es als inakzeptabel an, dass ein ausländischer Diplomat sich in seinem Territorium eher wie ein politischer Führer verhält, in Übereinstimmung mit der Verschwörungsagenda der extremistischen Sektoren der venezolanischen Opposition», erklärte dagegen das Außenministerium in Caracas. «Venezuela ist frei und unabhängig. Deshalb sind Handlungen von diplomatischen Vertretern, die eine Einmischung in die Angelegenheiten des Volkes und der Regierung darstellen, nicht erlaubt.»

Guaidó hatte sich am 23. Januar selbst zum Interimspräsidenten erklärt und Staatschef Maduro damit
herausgefordert. Die Wiederwahl des sozialistischen Regierungschef im vergangenen Jahr soll nicht den demokratischen Spielregeln entsprochen haben. Deutschland, die USA, zahlreiche EU-Staaten und viele lateinamerikanische Länder haben Guaidó bereits als rechtmäßigen Übergangspräsidenten anerkannt.

Der Rauswurf von Botschafter Kriener soll an dieser Haltung nichts ändern. «Dies wird in keinster Weise dazu führen, dass wir unsere Unterstützung von Juan Guaidó als Übergangspräsident mit der Aufgabe, freie, faire und demokratische Wahlen zu organisieren, in irgendeiner Weise überdenken», sagte Außenminister Maas in Berlin.

Die rasche Anerkennung des bis vor Kurzem noch völlig unbekannten Abgeordneten durch die Bundesregierung ist nicht unumstritten. Zumindest rückte Deutschland damit von der bisherigen Praxis ab, nur Staaten, nicht aber Regierungen förmlich anzuerkennen. Laut einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags gab es zudem «starke Gründe für die Annahme», dass die Anerkennung Guaidós eine Einmischung in innere Angelegenheiten sei.

Die Lage in Venezuela ist festgefahren. Guaidó will Maduro zum Rücktritt drängen, verfügt trotz breiter internationaler Anerkennung im Land selbst aber über keine ausreichend starke Machtposition, um den Regierungswechsel zu erzwingen. Maduro wird auf der Weltbühne immer mehr zum Paria, kann daheim aber weiterhin auf die Unterstützung des mächtigen Militärs zählen.

«Zwar haben beide Seiten die Möglichkeit von Verhandlungen zur Lösung der Krise ins Gespräch gebracht, derzeit ist aber kein Lager dazu bereit, von den Vorbedingungen abzurücken, die die jeweils andere Seite für inakzeptabel hält», heißt es in einer Analyse der Denkfabrik International Crisis Group. «Es gibt einen Ausweg, aber dafür müssen beide Seiten einem von einem unabhängigen Vermittler ausgehandelten Kompromiss zustimmen.»

Der Rauswurf von Botschafter Kriener mindert allerdings die Chancen auf eine internationale Vermittlung. Zumal er nicht der erste Diplomat ist, der seine Koffer packen muss. Noch am Tag der Anerkennung Guaidós durch das Weiße Haus brach Maduro die diplomatischen Beziehungen zu den USA ab. Die Beziehungen zum Nachbarn Kolumbien laufen schon länger auf Geschäftsträgerebene.

Auch die EU sieht deshalb ihre Felle davonschwimmen. «Wir bedauern die Tatsache, dass der deutsche Botschafter in Venezuela gezwungen ist, das Land zu verlassen», sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini am Donnerstag in Brüssel. Die EU habe sich bislang bemüht, Kontakte mit allen wichtigen Akteuren in Venezuela aufrechtzuerhalten. Dazu gehöre auch die Regierung von Präsident Nicolás Maduro. «Vor diesem Hintergrund hofft die Europäische Union, dass die Entscheidung (zur Botschafter-Ausweisung) noch einmal überprüft werden kann», sagte die Sprecherin.

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