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Weitere Festnahmen im Mordfall Lübcke: Tausende bei Demo

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Der Verdächtige im Mordfall Lübcke hat umfangreich gestanden. Es kommt zu weiteren Festnahmen. Gefasst wird der mutmaßliche Lieferant der Tatwaffe. Die Ermittlungen sind damit aber noch nicht beendet. Derweil kommen in Kassel Tausende zu einer Demo zusammen.

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Karlsruhe/Kassel (dpa) – Die Ermittler im Mordfall Lübcke sehen auch nach zwei weiteren Festnahmen bislang keine Anhaltspunkte dafür, dass eine rechtsextreme Terrorzelle hinter der Tat stecken könnte. Wie der Generalbundesanwalt am Donnerstag in Karlsruhe mitteilte, wurden nach einem umfangreichen Geständnis des dringend Tatverdächtigen Stephan E. zwei weitere Männer festgenommen. Die Bundesanwaltschaft geht derzeit aber nicht davon aus, dass die drei eine rechtsterroristische Vereinigung gebildet haben. Stephan E. hatte gestanden, den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke Anfang Juni erschossen zu haben.

Der aus dem Kreis Höxter in Nordrhein-Westfalen stammende Elmar J. (64) soll Stephan E. 2016 die spätere Tatwaffe mit dem Kaliber 38 verkauft haben. Den Kontakt zwischen den beiden soll der aus Kassel stammende Markus H. (43) hergestellt haben. Ihre Wohnungen wurden durchsucht.

Die Ermittler entdeckten in einem Versteck in Nordhessen die mutmaßliche Tatwaffe im Fall Lübcke. Nach dpa-Informationen wurde sie zusammen mit anderen Schusswaffen in einem Erdloch auf dem Firmengelände von Stephan E.s bisherigem Arbeitgeber gefunden, einem Technikhersteller. Das Versteck befand sich an einer uneinsehbaren Stelle nahe einem Zaun. Darüber hatten zuerst NDR, WDR und «Süddeutsche Zeitung» berichtet. Das Versteck hatte Stephan E. bei seiner Aussage preisgegeben, wie die Ermittler berichteten. Die Waffen werden nun kriminaltechnisch untersucht.

Elmar J. und Markus H. wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen. Gegen beide wurde am Donnerstag Haftbefehl erlassen. Die Untersuchungshaft wurde umgehend in Vollzug gesetzt.

«Wir gehen davon aus, dass die beiden Beschuldigten von der rechtsextremistischen Gesinnung des Stephan E. Bescheid wussten», sagte der Sprecher des Generalbundesanwalts. Sie hätten es auch für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass Stephan E. die Waffe für ein politisch motiviertes Verbrechen einsetzen werde.

Bislang gebe es aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die beiden von den konkreten Anschlagsplänen Kenntnis gehabt hätten oder darin eingebunden gewesen seien. Außerdem geht der Generalbundesanwalt derzeit davon aus, dass sie keine rechtsterroristische Vereinigung gebildet hätten. Die Festnahmen gehen den Ermittlern zufolge auf das Geständnis von Stephan E. zurück, der die beiden Männer bei seiner Aussage belastet haben soll.

Er habe außerdem eingeräumt, selbst Waffen verkauft zu haben. In diesem Zusammenhang leitete die Staatsanwaltschaft Kassel ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Beschuldigte ein, die mutmaßlich die Waffen gekauft hatten. Da ein Zusammenhang mit dem Fall Lübcke bislang nicht erkennbar sei, übernehme die Bundesanwaltschaft diese Ermittlungen nicht, sagte ein Sprecher der Karlsruher Behörde. Man werde sich aber sehr intensiv mit der Frage beschäftigten, in welchem Verhältnis diese Personen mit Stephan E. sowie Elmar J. und Markus H. standen. Das Umfeld aller fünf Personen solle sehr intensiv ausgeleuchtet werden.

Laut NDR, WDR und «Süddeutscher Zeitung» hat E. in seinem Geständnis offengelegt, dass er über zahlreiche Waffen verfügt – neben der Tatwaffe auch über eine Pump-Gun und eine Maschinenpistole vom Typ Uzi samt Munition. Dem Bericht zufolge handelt es sich um fünf Waffen.

Nach einem Bericht des ARD-Politmagazin «Panorama» war einer der Verdächtigen, Markus H., im Zusammenhang mit den Ermittlungen um den Mord an Halit Yozgat 2006 in Kassel als Zeuge vernommen worden. Die Tat wurde später der rechtsextremen Terrorzelle NSU zugeschrieben. Nach einem Bericht des Magazins «Der Spiegel» gab H. bei der Befragung an, Yozgat einmal kurz an einer Imbissbude in Kassel kennengelernt zu haben. Die Ermittler, die ihn befragten, weil er auffällig oft eine spezielle Internetseite zu der Mordserie aufgerufen hatte, stuften seine Aussage demnach aber schnell als nicht weiter relevant ein und legten sie zu den Akten.

Vor Lübckes Dienstsitz in Kassel setzten am Donnerstag 10 000 Menschen bei einer Demonstration ein eindrucksvolles Zeichen gegen rechte Gewalt, Hass und Hetze. Aufgerufen zu der Kundgebung vor dem Regierungspräsidium hatte die Stadt zusammen mit einem Bündnis von Institutionen und Organisationen. Das Ziel war: Flagge zeigen gegen die Spaltung der Gesellschaft und für eine tolerante, demokratische und friedliche Region.

Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) sagte: «Wir sind nicht der braune Sumpf der Nation. Wir sind friedlich, tolerant und weltoffen.» Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) warnte angesichts von Hass und Hetze im Internet: «Aus Worten können Taten werden.» Der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, kritisierte: Es sei für die Gesellschaft unerträglich, dass politisch Verantwortliche in Kommunen und Ländern mit dem Tod bedroht würden. Im Kampf gegen «menschenverachtende Ideologien» forderte er: «Keine Toleranz gegenüber rechtsradikaler Intoleranz!»

Der Kasseler Regierungspräsident Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni auf der Terrasse seines Wohnhaus in Nordhessen mit einem Kopfschuss getötet worden. Der langjährige hessische CDU-Landtagsabgeordnete leitete als politischer Spitzenbeamter das Regierungspräsidium, eine Art Mittelbehörde zwischen Land und Kommunen. Er hatte Morddrohungen erhalten, nachdem er 2015 auf einer Informationsveranstaltung zur Unterbringung von Flüchtlingen sich gegen Schmährufe gewehrt und gesagt hatte, wer die Werte des Zusammenlebens nicht teile, könne Deutschland verlassen.

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