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Aussichtsreiche Klage: Italiener will bei DM laufen

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Leichtathlet Daniele Biffi fühlt sich vom Deutschen Leichtathletikverband diskriminiert. Seine Klage bekommt Unterstützung vom Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof. Das Verfahren könnte massive Auswirkungen haben.

Läufer Daniele Biffi (l.) bei einem Wettkampf in Berlin

Daniele Biffi läuft schnell. Der 46-Jährige ist einer der besten Hallensportler der Seniorenklasse über 200 und 400 Meter, nicht nur in Deutschland, sondern auch international. Acht deutsche Meistertitel hat er bereits gesammelt und würde gerne weitere folgen lassen. Doch das ist Biffi inzwischen verwehrt. Seit 2016 darf er bei nationalen Meisterschaften nur noch außer Konkurrenz starten – weil er Italiener ist.

Weil er sich deshalb als EU-Bürger diskriminiert fühlt, hat Biffi gegen den Deutschen Leichtathletikverband (DLV) vor dem Landgericht Darmstadt geklagt. Die Richter dort haben vor ihrer Entscheidung den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gebeten, zu prüfen, ob es sich in diesem Fall nach geltendem europäischen Recht wirklich um Diskriminierung handelt.

Gutachten des Generalanwalts bedeutet Rückenwind 

Biffis Chancen stehen recht gut. Am Donnerstag veröffentlichte der am EuGH zuständige Generalanwalt Evgeni Tanchev sein Gutachten. Demnach verletzte die Regelung des DLV das Diskriminierungsverbot, außerdem verwies er auf die Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU. Zugleich betonte er, dass das Diskriminierungsverbot zum Beispiel nicht für die Nominierung von
Nationalmannschaften gelte, solange der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werde.

Ein Urteil zu dem Fall wird im Verlauf der kommenden Monate erwartet. Die Richter des EuGH orientieren sich oft an dem Gutachten des Generalanwalts.

Biffi sieht sich als Vorreiter 

Seit 16 Jahren lebt Biffi in Berlin, seit 2012 ist er als Athlet in Deutschland registriert. Aber er hat immer noch einen italienischen Pass. Vier Jahre lang nahm er an nationalen und internationalen Meisterschaften teil, ohne dass jemand Probleme machte. Dann jedoch änderte der Deutsche Leichtathletik Verband (DLV) seine Regeln: Seitdem können Athleten ohne deutsche Staatsbürgerschaft bei nationalen Wettbewerben keine Titel mehr gewinnen, Bestzeiten werden nicht mehr anerkannt. Biffi war geschockt. “Als mir klar wurde, dass ich bei den deutschen Meisterschaften nicht mehr laufen darf, war ich wirklich wütend”, sagt Biffi der DW. “Leichtathletik ist nicht nur Teil meines Jobs – ich bin Personal Trainer – , sondern es ist auch wirklich meine Leidenschaft.”

Rund 50 weitere Leichtathleten betroffen

Der DLV nannte mehrere Gründe für die Regeländerung. So dürften deutsche Bürger nicht benachteiligt werden. So sei es unter Umständen schwierig, das korrekte Geburtsdatum ausländischer Athleten zu ermitteln oder zu klären, ob sie auch in Heimatland bei Wettkämpfen anträten.

Diskriminiert? Leichtathlet Daniele Biffi

Biffi überzeugen diese Gründe nicht: “Ich trainiere doch genau für solche Meisterschaften. Es macht Spaß und ist ein großer Teil meines Lebens. Mir zu sagen ‘Du kommst nicht’ konnte ich nicht akzeptieren.” Nach seiner Schätzung sind in Deutschland rund 50 weitere ältere Athleten in seiner und anderen Altersklassen von der Regeländerung betroffen.

“Der eigentliche Skandal ist die Diskriminierung”

Auch sein Anwalt Gerald Kornisch, ebenfalls Leichtathlet und im selben Berliner Verein wie Biffi, kann die Argumentation des DLV nicht nachvollziehen. Der DLV dürfe als Dachverband nicht einzelne Mitglieder je nach Nationalität unterschiedlich behandeln, sagt Kornisch der DW: “Der eigentliche Skandal ist die Diskriminierung. Eigentlich geht es darum, ob es der Verbandspitze erlaubt ist, einzelnen Vereinsmitgliedern oder Gruppen von Verbandsathleten, die unter dem Dach des DLV organisiert sind, nach Gutdünken Vorteile und Rechte zu gewähren und wieder zu entziehen, gerade so, wie es der Verbandsspitze gefällt.” Der DLV weist den Vorwurf der Diskriminierung zurück.

“Weitreichende Konsequenzen” im Erfolgsfall

Sollte Biffi letzten Endes tatsächlich erfolgreich sein, könnte der Fall massive Konsequenzen für Amateursportler in der gesamten EU haben. Professor Dr. Martin Nolte, Leiter des Instituts für Sportrecht an der Deutschen Sporthochschule in Köln, sagte der DW, der Fall Biffi könne Sportlern Türen öffnen, so dass sie an jedem beliebigen Ort miteinander in Wettbewerb treten könnten.

Sportrechtler Martin Nolte: Urteil mit weitreichenden Konsequenzen

“Das hätte eine weitreichende Konsequenz für sportverbandliche Regelwerke, die dann Beschränkungen vorsehen für das Startrecht bei nationalen Meisterschaften”, sagte Nolte. “Es könnte kurioserweise auch zur Folge haben, wenn man das so erlauben würde, dass eine Person zum Beispiel zehnmal nationaler Meister in zehn verschiedenen Staaten werden könnte.” Allerdings, so Nolte, sei keineswegs sicher, dass der EuGH die DLV-Regeln so auslege, dass sie Ausländer tatsächlich entgegen geltendem EU-Recht davon abhielten, bei deutschen Meisterschaften anzutreten.

“Der EuGH hat den Sportorganisationen eigentlich immer schon ein Stück weit mehr Regelungsautonomie eingeräumt und gesagt, dass es in Ordnung ist, wenn man an die Staatsangehörigkeit anknüpft”, so Nolte.

Silberstreif für Biffi

Trotz des langen Weges bleibt Biffi positiv: ” Ich versuche immer, das Positive bei allen Sachen zu sehen. Was ist positiv?”, fragt er. “Seitdem ich gesperrt bin, habe ich noch mehr Motivation zu trainieren. Und in den letzten zwei Jahren ist meine Leistung besser geworden.”

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